Ach, Mastodon
Lesedauer 3 Minuten
Ich liebe das Fediverse.
Die Idee eines dezentralen sozialen Netzwerks mit spezialisierten, aber verbundenen Diensten und gemeinsamer Verwaltung ist großartig; die Abwesenheit von Werbung und algorithmer Bevormundung wirkt befreiend. Seit 2018 bin ich dort aktiv – nur auf Twitter war ich länger unterwegs (2010–2023).
Trotzdem überlege ich derzeit ernsthaft, meine Accounts zu schließen und es einfach sein zu lassen.
Der Anlass (oder der Tropfen, der das Fass vielleicht zum Überlaufen bringt) ist eine Moderationsentscheidung auf photog.social. Dort hatte ich 2022 ein neues Zuhause für meinen Fotomenschen-Account eingerichtet und lebe meine Fotoleidenschaft aus. Vor kurzem gab es dort einen Moderatorenwechsel, und mit diesem Wechsel wurden Anpassungen vorgenommen. Diejenige, die mir am meisten aufstößt, ist die Entscheidung, mastodon.social auszublenden. Konkret bedeutet das: In den öffentlichen Timelines oder unter Hashtags auf photog.social tauchen keine Accounts von mastodon.social mehr auf. Das Argument des Moderatorenteams: Auf mastodon.social gäbe es zu viel Hatespeech und Spam, und man müsse die Community, insbesondere Minderheiten, davor schützen.
Oh my.
Ich selbst bin ein weißer cis Mann, lebe in einem westlichen Land, habe ein verhältnismäßig sicheres Einkommen und bin bei guter Gesundheit. Sprich: Ich bin privilegiert bis über beide Ohren und kann nur begrenzt einschätzen, welchen Schutz besagte Minderheiten wirklich brauchen.
Eines aber weiß ich mit Sicherheit: Der Großteil der Leute auf mastodon.social sind friedliche Fedizens. Da mastodon.social das Netzwerk ist, dem sich viele – besonders Newcomer – anschließen, ist es auch die Heimat vieler Fotobegeisterter und eine Quelle bereichernder Interaktionen. Man kann also mit Sicherheit sagen, dass ein nennenswerter Teil der mastodon.social-Fedizens sogar zu jenen Minderheiten gehört, die das photog.social-Team vorgibt, schützen zu wollen.
Das Ausblenden dieses Servers ist nichts anderes als das Stummschalten eines beträchtlichen Teils der Community. Konnte man zuvor Accounts dort entdecken, indem man gezielt Hashtags verfolgte oder in der föderierten Timeline stöberte, ist genau das für Mitglieder von photog.social plötzlich nicht mehr möglich. Doch genau solche Taktiken sind in der Fotocommunity des Fediverse üblich: Hashtags wie FensterFreitag, MountainMonday oder FotoVorschlag dienen dazu, andere Fotograf:innen zu finden und sich mit ihnen zu vernetzen. All das geht nun nicht mehr von photog.social aus.
Doch selbst wenn man das in Kauf nehmen wollte, gibt es einen weiteren Punkt, der mich an dieser Moderationsentscheidung aufregt: die himmelschreiende, paternalistische Bevormundung. Das Moderatorenteam behauptet schlicht, besser zu wissen als die Nutzer:innen ihres Servers, welche Inhalte durch die öffentlichen Feeds laufen sollen. Was für eine Anmaßung! Vor direkten Angriffen war man auch bisher nicht gefeit – doch wenn ich als Nutzer bewusst ins globale Fediverse eintauchen will, entscheidet plötzlich ein Team, das für eine gesamte Instanzcommunity, die es nicht gefragt hat, den Großteil der Metacommunity stummschaltet, der diese Community ja ebenfalls angehört.
Mit anderen Worten: Wer wie ich klassische Social Media verlassen hat, um der Bevormundung durch Algorithmen zu entgehen, wird nun von einem Moderatorenteam bevormundet. Und in der Diskussion tun die Verantwortlichen so, als wäre das nur zu unser aller Bestem – wer darauf hinweist, dass diese Filterung zu weit geht, macht sich praktisch schuldig, Minderheiten Schutz zu verwehren.
Tatsächlich offenbart diese Entwicklung eine grundsätzliche Schwäche des Fediverse: Entweder man schließt sich einer der großen Instanzen an, oder – wenn man das tut, was eigentlich zu den Stärken des Ansatzes zählt, nämlich sich einer spezialisierten Community anzuschließen – liefert man sich den möglicherweise umschwenkenden Entscheidungen eines Moderatorenteams aus. Ich möchte eigentlich nicht auf mastodon.social sein – ich bin dorthin gewechselt, weil ich die Entscheidungen des Moderatorenteams auf chaos.social nicht mehr mittragen konnte. Und jetzt stelle ich fest, dass es mir auf photog.social genauso geht. Nach drei Jahren Mitgliedschaft steht dieselbe Frage im Raum.
„Hoste doch selbst“, wirft gelegentlich jemand ein. Ja, klar. Man könnte. Aber ich will nicht – und es ist auch nicht wirklich realistisch.
„Zieh einfach weiter“, raten andere. Das habe ich bisher auch so gehandhabt, immerhin geht das ja. Letztlich passiert dann aber genau das, was eigentlich nicht im Sinne des Fediverse ist: eine Konzentration auf wenige, große Instanzen – mit allen damit verbundenen Nachteilen.
Ich glaube, ich komme allmählich an einen ganz anderen Punkt. Die Versuchung wächst, das Kapitel einfach zu schließen und vielleicht eine Weile ganz auf Social Media zu verzichten. Es ist ja nicht so, dass mein Leben leer wäre, wenn ich mich nicht über Leute ärgere, die ich gar nicht kenne.
mögen das
teilten dies erneut
Franz Graf
Als Antwort auf Dirk • • •Ich bin noch nicht so lange dabei. Ich kann aber jeden deiner Punkte verstehen.
Nur beim Punkt "es werden sich dann viele auf wenige Instanzen konzentrieren" hoffe ich aufs Gegenteil: vielleicht zieht jemand einen neuen Server auf, auf den eingehe umziehen - sicher nicht alle, aber vielleicht ein paar?
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Matthias
Als Antwort auf Dirk • • •Es gibt nur wenige Gründe einen entfernten Server zu sperren oder zu stumm zu schalten. Das ist immer das letzte Mittel.
Spam ist ärgerlich und produziert viel Arbeit. Das ist nun mal die Arbeit der Moderatoren dort gute Arbeit zu liefern, eben damit du weiterhin mit allen im Fediverse in Verbindung stehen kannst.
crossgolf_rebel - kostenlose Kwalitätsposts mag das.
Franky_Tegeler :friendica:
Als Antwort auf Matthias • •Dirk Primbs mag das.
Matthias
Als Antwort auf Franky_Tegeler :friendica: • • •@Franky_Tegeler :friendica: @Dirk
Im allgemeinen sind die eindeutigen Spam-Konten bei den meisten Nodes im Fediverse schnell gelöscht. Von Diaspora kommen derzeit ebenso viele Nachrichten dieser Art an, wie aus dem AP-Netz. Das würde mich jedoch nicht auf die Idee bringen, wegen einiger weniger Accounts, den Kontakt zu allen Nutzenden auf diesen Pods zu blockieren.
Ebenso sehe ich das mit Menschen, denen Respekt und Anstand unbekannt ist. Das Problem solcher Accounts löst du nicht durch das deföderieren ganzer Server. Das muss immer eine Einzelbetrachtung bleiben. Anders sieht das natürlich aus, wenn ein Server nur für das eine Ziel eingerichtet und betrieben wird.
Franky_Tegeler :friendica: mag das.
Franky_Tegeler :friendica:
Als Antwort auf Matthias • •@Matthias
Ganz genau so sieht das aus. Bisher hatte ich nicht die Notwendigkeit gesehen ganze Server zu blockieren. Solange wie ich jetzt im Fediverse unterwegs bin, von Mastodon über Friendica bis hin zu Pixelfed und Lemmy, gab es immer nur User die den Weg in die Liste gefunden haben aus den von Dir genannten Gründen. Was Server betraf die nur für Spam oder Hetze eingerichtet wurden, haben die Moderatoren und Betreiber recht schnell reagiert.
@Dirk
Eris2cats
Als Antwort auf Dirk • • •@DrkPrmbs
Die Moderation/Administration einer Instanz ist in einer besser Situation zu beurteilen wie groß der Aufwand aus einer Entscheidung ist.
Wenn ich nicht vorhabe es selbst zu machen, dann habe ich denen, die es machen, nichts vorzuwerfen. Der Instanzwechsel ist das hierfür vorgesehene Mittel, wenn man unzufrieden ist.
Wenigstens hast im Fediverse überhaupt die Option dazu.
NSchmid
Als Antwort auf Dirk • • •Das wird dir nicht helfen, da du diese Optionen nicht nutzen möchtest. Ich hoffe, du findest eine Instanz, die dir besser zusagt.
Klaus
Als Antwort auf Dirk • • •Franky_Tegeler :friendica:
Unbekannter Ursprungsbeitrag • •mögen das
Dirk Primbs mag das.
Dirk Primbs
Unbekannter Ursprungsbeitrag • • •ich bin schon ein paar mal weitergezogen. Meine Erfahrung ist, dass das einzige Netzwerk bei dem nicht irgendwer irgendwann reinmarschiert und beschließt große Gruppen stummzuschalten oder gleich ganz auszusperren leider die Hauptinstanz ist.
Ich schließe erst mal gar nichts aus, ich denke nur ein "dann wechsel halt die Instanz" oder ein "hoste einfach selbst" geht an meinem Argument vorbei.
Calligrafae
Als Antwort auf Dirk • • •Mastodon•ART 🎨 Curator (@Curator@mastodon.art)
Mastodon.ARTCalligrafae
Als Antwort auf Calligrafae • • •DerAsket
Als Antwort auf Dirk • • •Wäre eine Pixelfed Instanz vielleicht eine Option?
Mehr Fotos, weniger Text und Diskussionen, wie ich es hier lese?
shashindo
Als Antwort auf Dirk • • •Und ich gebe dir 100%ig recht - so ist das saudoof. Es fehlt eine Kontrollinstanz zu den Mod/Admins. Bisschen Basisdemokratie.
Dirk Primbs
Unbekannter Ursprungsbeitrag • • •Sensitiver Inhalt
Letztlich komme ich bei der Frage an ob es die gegenseitige Geiselnahme und das immer wieder aufkommende Drama eigentlich wert sind. Beispiel photog.social - vor drei Jahren kam ich dort hin weil es eine Photocommunity ist. Fotografie ist das Hauptthema. Speziell bei den Fotograf:innen ist das Hashtag-Game essentiell. Plötzlich sind die nur noch halb so voll weil die neue Moderation beschließt das sei der einzige Weg vulnerable Gruppen zu beschützen. 1/
@tux @Dirk @gedanke
Dirk Primbs
Unbekannter Ursprungsbeitrag • • •ich war dabei es weiter auszuführen, aber vielleicht schlicht als Antwort:
1) kann man vulnerablen Gruppen eigentlich nicht zutrauen, dass sie wissen worauf sie sich einlassen wenn sie in die föderierte Timeline schauen?
2) gehen wir eigentlich wirklich davon aus, dass eine gewaltige Mehrheit der mastodon.social messages verletztend und bedrohlich sind? Mehr als der Mehrwert der durch die Discovery und dem Folgen von Hashtags entsteht?
3) ... 1/2
@crossgolf_rebel @tux @Dirk
Dirk Primbs
Unbekannter Ursprungsbeitrag • • •Ich seh das so, dass man da schlicht geteilter Meinung sein kann. Ich empfinde es eben als bevormundend und paternalistisch wenn ein signifikanter Teil des Mastodon-Streams verdeckt wird (insbesondere die besagten Hashtags, die föderierte Timeline ist mir tatsächlich einigermaßen wumpe)
Ich bin auf einer thematischen Instanz und plötzlich sieht die nur noch zwei Drittel des thematisch relevanten Geschehens.
@crossgolf_rebel @tux @Dirk
Dirk Primbs
Als Antwort auf Dirk Primbs • • •3) Der safe space einer Community ist die lokale timeline. Die war auf photog.social ziemlich stabil und ist es immer noch. Wovor wird da eigentlich geschützt?
4) mit dem Argument "wir schützen doch nur" müsste eine Community sich eigentlich konsequenterweise komplett abkapseln.
@crossgolf_rebel @tux @Dirk
Dirk Primbs
Unbekannter Ursprungsbeitrag • • •Ich fühle mich gesehen. Danke :)
Vielleicht noch den Aspekt, wenn Mods/Admins schlicht ohne erkennbaren Diskurs große Dinge entscheiden.
Wie man es besser macht zeigt chaos.social. Die führen bei Themen ab einer gewissen Gewichtung einen Diskurs und eine Entscheidung ist dann durch die Community legitimiert.
Als die beispielsweise Threads blockierten war ich zwar anderer Meinung, aber nicht sauer. Community funktioniert mMn so und nicht anders.
@tux @Dirk @gedanke
Dirk Primbs
Unbekannter Ursprungsbeitrag • • •Die neue Moderation auf photog hat munter mal rumkonfiguriert, sich bisher nicht mal vorgestellt. Es ist ein wenig so als wärst du seit drei Jahren täglich aktiv in einem Clubhaus zu Besuch und wirst plötzlich darüber informiert, dass ein neuer Besitzer umdekoriert hat, ab jetzt bestimmte Fenster zumauert und obendrein geändert hat wer durch die Tür darf.
Ich vermute absolut gute Intentionen, aber diskutiert haben die nur unter sich.
@tux @Dirk @gedanke
Dirk Primbs
Unbekannter Ursprungsbeitrag • • •@crossgolf_rebel @tux @Dirk
Anyway - ich danke euch auf jeden Fall mal für die Diskussion. Nicht alles in diesem Thread hat Spaß gemacht aber ich weiß echt zu schätzen, dass ihr euch mit mir ausgetauscht und im wesentlichen sachlich diskutiert habt.
Ich verstehe durchaus die Motivation hinter Entscheidungen wie der auf photog.social und dass mein Gefühl der Bevormundung nicht generalisierbar ist.
Werde ab hier einfach mal nachdenken wie meine Fediverse Reise weitergeht.
ttfn
Dirk Primbs
Unbekannter Ursprungsbeitrag • • •Danke für den Diskussionsbeitrag.
Glaubst du nicht auch es gibt vielleicht Wege wie man vulnerable Gruppen schützt ohne die größten Instanz im Fediverse unsichtbar zu machen?
Und ist es vorstellbar, dass ich beides will: Ein funktionierendes integriertes Fediverse aber eines in dem vulnerable Gruppen beschützt werden?
Es kotzt mich echt an, dass mir anderes unterstellt wird nur weil ich der Meinung bin der eingeschlagene Weg ist falsch.
@crossgolf_rebel @tux @Dirk
SterbeProzess(FirstTrötLesen)
Als Antwort auf Dirk • • •so ich werfe meine 2 Cent auch ein.
erstens die Funktion eine ganze Instanz zu Blocken braucht es aber nicht um Instanzen zu blocken wo Beiträge sind die einen nicht passen sondern um Spam und Virenschleudern zu bekämpfen (Auf Serverebene)
Wenn ich als User denke okay Instanz XYZ passt mir nicht kann ich sie blocken und es hat dann genau die Auswirkung ich sehe sie nicht mehr und soviel sollte man den User zutrauen das er es selbst kann.
WhatStefanSees
Als Antwort auf Dirk • • •Ja, ich habe auch Probleme mit dieser Entscheidung und der Art, wie sich diese Instanz entwickeln soll.
Wozu photog.social mehr "gay" werden muss - ausser zur Freude der Moderatoren - erschliesst sich mir nicht
Montag
Als Antwort auf Dirk • • •Hallo, kann ich alles gut verstehen was Du schreibst, deshalb bin ich auf meiner selbst gehosteten Instanz auch ziemlich zufrieden.
Du must auch nicht den ganzen technischen krams selber machen, es gibt ja durchaus Dienstleister die die technische Seite für wenig Geld übernehmen. Ein bisschen mehr Arbeit als einen Account auf einer bestehenden Instanz zur eröffnen macht es aber trotzdem.
Vor einiger Zeit habe ich mich mal für ein anderes Projekt darüber informiert und bin auf Weingärter IT gestoßen. Nur mal so als eventuelle Idee.