Darum dampft im Kraftwerk Lippendorf nur ein Kühlturm
Seit Wochen steht ein Block des Kraftwerkes Lippendorf (Gemeinde Neukieritzsch) im Leipziger Südraum still. Mit dem Kohleausstieg hat das noch nichts zu tun. Vielmehr wird die Anlage fit gemacht für die nächsten Jahre.
Seit mehreren Wochen das gleiche Bild: Am Braunkohlekraftwerk Lippendorf des Bergbau- und Energiekonzerns Leag quellen nur aus einem der beiden Kühltürme Wolken aus Dampf und Rauch heraus. Sicheres Zeichen dafür, dass der andere Block stillsteht, dass nur ein ein Kessel Dampf erzeugt, der die Turbinen antreibt, die den Generator elektrischen Strom erzeugen lassen.
Es kann mehrere Ursachen geben, warum einer der beiden 900-Megawatt-Kraftwerksblöcke nicht oder nur gedrosselt arbeitet: selten wegen einer Havarie, häufiger wegen des (Über-)Angebots von Strom aus erneuerbaren Quellen. Und im Sommer 2019 hatte der Eigentümer des Blockes S, der Energiekonzern EnBW, diesen für mehrere Monate abschalten lassen.
Jetzt steht seit dem 8. Mai tatsächlich wieder dieser Block S still. Allerdings war das lange geplant, es ist aber dennoch teils spektakulär. Er wird nämlich umfangreichen Wartungen, Instandsetzungen und Reparaturen unterzogen. Kraftwerksleiter Christian Rosin spricht von einer „Zwischenrevision mit erweitertem Umfang“. Der Eingriff kostet Kraftwerksbetreiber Leag rund 32 Millionen Euro.
Auch ein Hubschrauber kommt zum Einsatz
Dafür nehmen sich insgesamt rund 1300 Mitarbeiter von Fremdfirmen unter anderem den zum Block gehörenden Kühlturm vor. Sie steigen ins Kesselhaus ein und nehmen im Maschinenhaus, wo die fünf Turbinen und der Generator stehen, ziemlich viel auseinander.
Spektakulär wurde und wird die Sache am Anfang und am Ende. Denn am Kühlturm wurden sowohl der obere Rand als auch Teile der Beschichtungen im oberen Teil repariert und erneuert. Dazu mussten Gerüste in den Turm hineingebaut werden, die später wieder demontiert werden. Das wird – wie schon bei der Revision am zweiten Block im vorigen Jahr – mit Hilfe eines Hubschraubers erledigt, der die Teile am Seil in den Turm hineinließ und wieder herausholt.
Dürfte es im Inneren des Kühlturmes schon nicht gerade heimelig für die Arbeiter sein, das Kraftwerk hat einen noch unangenehmeren Arbeitsplatz zu bieten. Der befindet sich im Inneren des riesigen Kessels, in dem normalerweise das Kohlefeuer lodert. Dort, erläutert Revisionsleiter Stefan Mroß, mussten rund 350 Quadratmeter Heizflächen ausgewechselt werden.
Ziel der Revision: Sicherer und wirtschaftlicher Betrieb
Jede Menge zu tun war auch im Maschinenhaus: Von fünf Turbinen, die der Dampf aus Block S antreibt, wurden vier geöffnet. Darin drehen sich während des Betriebes unter dem Druck des heißen Dampfes riesige, tonnenschwere sogenannte Läufer. Wellen, die mit Flügel-Lamellen bestückt sind. Vier wurden ausgebaut und jeder mit einem Spezialtieflader zur Überholung nach Berlin geschickt.
Und es gibt noch zwei weitere große Bestandteile der Revision, die dafür sorgen sollen, dass das Braunkohlekraftwerk in der Zeit, die ihm bis zur geplanten Abschaltung 2035 noch bleibt, stabil läuft und aktuelle Anforderungen an den Schadstoffausstoß erfüllt. Wobei Kraftwerksleiter Rosin die unmittelbare Absicht so formuliert: „Ziel der Revision ist der sichere und wirtschaftliche Betrieb für die nächsten fünf Jahre.“
Nächste längere Abschaltungen in vier und fünf Jahren
Zum einen gehört deshalb der Umbau der Rauchgasentschwefelungsanlage zum Paket der Arbeiten. Auch das wurde im vergangenen Jahr bereits für den der Leag gehörenden Block R getan. Und so wie dieser bekommt jetzt auch der Block S eine komplett neue Steuerungstechnik.
Die ist auch der Grund dafür, dass das Kraftwerk nach dem Ende der aktuellen Revision nicht auf Knopfdruck wieder mit kompletter Leistung am Netz sein wird. Stattdessen wird der Block mehrfach an- und wieder heruntergefahren. Der Start mit der neuen Steuerung, sagt Christian Rosin, kommt im Grunde einer Erstinbetriebnahme des Kraftwerkes gleich. Verbraucher merken davon – wie von der gesamten Stillstandszeit – nichts. Die fehlende Leistung im Netz wird aus anderen Quellen eingespeist.
Große Revisionen wie die vom vorigen Jahr an Block R und jetzt am Block S sind im Kraftwerk Lippendorf alle fünf Jahre vorgesehen. Revisionsleiter Mroß bereitet daher schon jetzt die nächsten längeren Abschaltungen in den Jahren 2025 und 2026 vor. Zwischendurch werde es kürzere Stillstände für kleinere Wartungen und Reparaturen geben.