Verlängerung bis 2052: Zwischen Leipzig und Zwenkau soll weiter Kies abgebaut werden
Das voraussehbare Ende des Kiesabbaus im Zwenkauer Ortsteil Zitzschen rückt in weite Ferne. Statt Renaturierung wird noch tiefer und länger gebuddelt. Gegen die Pläne gibt es Widerstand.
Zwenkau. Statt des absehbaren Endes des Kiesabbaus im Jahr 2030 soll im Zwenkauer Ortsteil Zitzschen nun bis 2052 weitergebaggert werden. Die Mitteldeutsche Baustoffe GmbH hat eine Änderung des Rahmenbetriebsplans beantragt. Sie will künftig zwischen dem Leipziger Stadtteil Knautnaundorf und Zitzschen Kiese und Kiessande im Nass- statt wie bisher im Trockenschnitt aus dem Boden holen.
Der Streit um die Gewinnung des wertvollen Rohstoffes geht damit in die nächste Runde – denn in der Bevölkerung findet das Vorhaben breite Ablehnung. Fragen und Antworten zum Vorhaben.
Seit wann wird in Zitzschen Kies abgebaut?
Grundlage des Kiesabbaus zwischen Leipzig-Knautnaundorf und Zitzschen seit 2015 ist ein bergrechtlicher Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2004. Das Sächsische Oberbergamt hatte die Gewinnung von Kiesen und Kiessanden auf rund 100 Hektar im Trockenschnitt genehmigt.
Was bezweckt die Mitteldeutsche Baustoffe GmbH?
Mehr als zehn Millionen Tonnen Kiessande lagern im Boden, 500 Kilotonnen können jährlich gefördert werden. Inklusive der Arbeiten zur Wiedernutzbarmachung des Areals wird jetzt ein Zeitraum bis 2052 veranschlagt. Das Unternehmen will den Kies künftig im Nassabbau und damit im Grundwasserbereich fördern. Die Nettofläche für den Abbau verringert sich auf knapp 85 Hektar. Die ursprünglich einmal versprochene Renaturierung mit landwirtschaftlicher Folgenutzung ist aber lediglich auf rund acht Hektar möglich. Stattdessen sollen drei naturnahe Seen entstehen.
Wie stehen die Chancen, das Vorhaben zu verhindern?
„Wir werden nichts ändern können, aber wir können uns im Spiel nach vorne drängen und bei der Gestaltung des Rahmenplans mitreden“, sagte Bürgermeister Holger Schulz (CDU) am Montag bei einer Bürgerversammlung in Zitzschen.
Die Stadt Zwenkau werde, ebenso wie Leipzig, auf dessen Flur 10 Prozent des Abbaugebietes liegen, eine Stellungnahme zum Vorhaben abgeben. Man habe beim ersten Versuch, den Start des Kiesabbaus gerichtlich zu verhindern, eine herbe Klatsche einstecken müssen. Eine weitere kommunale Klage sei sinnlos. Das bestätigte Rechtsanwältin Dr. Ina Richter als Beraterin der Stadt. „Die Rohstoffgewinnung hat Vorrang vor Bürgerinteressen“, unterstrich sie.
Was treibt die Zitzschener jetzt um?
2015 waren Anwohnerinnen und Anwohner noch mit Traktoren, Trillerpfeifen und Plakaten auf die Straße gegangen. Auch jetzt bleiben die Forderungen der Anwohnerinnen und Anwohner um ein möglichst verträgliches Vorgehen und um eine Verringerung der Abbaufläche. Der Schwerlastverkehr solle nicht durch den Ort führen. Lärmbelästigungen sollen vermieden werden, womöglich durch eine Schallschutzmauer. Der Grundwasserspiegel müsse beobachtet werden, um Schäden an Gebäuden, wie sie in Knautnaundorf bereits festgestellt werden, zu vermeiden. Auch die Sicherheit, dass im Falle einer Insolvenz des Bauunternehmens die Revitalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, müsse festgeschrieben werden.
Was sind die Befürchtungen?
Auf drei Baufeldern sollen nach Abschluss der Arbeiten naturnahe Gewässer als Biotope entstehen, nicht zugänglich für den Menschen, mit Ufergehölzen für Tiere und Pflanzen. Kritiker aus der Bevölkerung sehen das versprochene Naturparadies skeptisch. Ohne natürlichen Zufluss werde es eine saure und braune Brühe statt eines Biotops, so die Befürchtung. Man werde prüfen, ob beispielsweise über den Saugraben Wasser zugeführt werden könne, versprach der Bürgermeister.
Was ist zum Schutz der Anlieger drin?
„Zäsuren schaffen durch Grün, das ,bis hierher und nicht weiter‘ anzeigt“, ist ein Vorschlag von Professor Andreas Berkner, Chef des Regionalen Planungsverbandes (RPV) Leipzig-Westsachsen. So sollten die Uferböschungen zügig angepflanzt werden, damit sie in den nächsten Jahren zu einer natürlichen Markierung heranwachsen.
Die Idee, auf den Gewässern schwimmende Photovoltaik-Anlagen zu installieren, halte er für interessant. Wichtig sei ein Monitoring über die Umsetzung der geplanten Maßnahmen – und Transparenz zu schaffen.
Wie können Interessierte dazu Stellung beziehen?
Aktuell gibt es eine Online-Petition von Michael Schmidt, Stadtrat der Grünen in Leipzig, und dem Knautnaundorfer Ortschaftsrat Mario Stöbe, die den „Profit der Baubranche auf Kosten von Menschen und Natur“ verurteilen. „Denn es kommt, wie von Beginn an befürchtet: Der Kiesbetreiber beantragt scheibchenweise einen immer weitergehenden Abbau und rückt dabei immer stärker von Wiederherstellungs- und Renaturierungszusagen ab“, begründen sie ihr Vorhaben.