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Abschied aus Bundestag: Pegauerin Katharina Landgraf zieht nach 16 Jahren Bilanz


Katharina Landgraf saß für den Landkreis Leipzig 16 Jahre im Bundestag. Im LVZ-Interview zieht die CDU-Frau aus Großstorkwitz (Stadt Pegau) zum Abschied eine Bilanz – mit Kritik für Bundeskanzlerin Merkel und Spitzenkandidat Laschet sowie Verweis auf die Volkskammer. Was sie nun tun will.
Sie saß 16 Jahre im Bundestag und hat das Direktmandat im Landkreis Leipzig viermal gewonnen. Ob es in diesem Jahr noch einmal geklappt hätte, bleibt unklar, denn Katharina Landgraf (67, CDU) ist am 26. September nicht erneut angetreten. Die LVZ sprach mit ihr über das desaströse Wahlergebnis für die CDU, ihre Erfolge und Misserfolge in der Abgeordnetenzeit sowie ihre Pläne für die Zukunft. Wie entsetzt waren und sind Sie über das Ergebnis der Bundestagswahl? Es hat mich sehr betroffen gemacht; vor allem der Verlust etlicher Direktmandate. Wir haben viele gute Leute, aber die haben wir nicht gut verkauft. Ich denke da an Carsten Linnemann und Ralph Brinkhaus, aber die sind nicht zum Zuge gekommen. „Wir hätten uns um andere Themen kümmern müssen“: War die Öffnung der Grenzen im Jahr 2015 der Sündenfall, der die AfD groß gemacht hat? Das sehe ich nicht so, aber wir hätten uns um andere Themen kümmern müssen. Ich denke da an die Bereitstellung von Fördermitteln oder auch eine bessere Behandlung der Bürger durch die Behörden aller Ebenen. War Angela Merkel eine gute Kanzlerin, oder hat sie etwas falsch gemacht? Sie war eine gute Kanzlerin. Aber wenn Sie mich fragen, was sie falsch gemacht hat: Sie hat sich nicht aus ihrer Blase gelöst, sie hat oft die Stimmung im Lande nicht wahrgenommen. Aber im Hinblick auf die Außenpolitik und Europa war sie schon eine gute Regierungschefin. Was ist bei dieser Wahl nach Ihrer Meinung für die Union schief gegangen? Ich zermartere mir den Kopf darüber. Es gab bei uns einige in der Fraktion, die die schlechte Stimmung transportiert haben, etwa wenn es um das Thema Kohleausstieg ging. Da wurde schon die Befürchtung artikuliert, dass das am Ende der kleine Mann bezahlen muss. Katharina Landgrafwurde 1954 in Kirchengel (Kyffhäuserkreis, Thüringen) geboren. Evangelisch-lutherisch und verheiratet, hat sie vier erwachsene Kinder und neun Enkel. Sie wohnt im Pegauer Ortsteil Großstorkwitz. Nach Abitur in Borna und Studium an der Universität Rostock (Diplom-Ingenieurin für Meliorationswesen) arbeitete sie ab 1976 als Ingenieurin für Wasserwirtschaft und Umweltschutz im Braunkohlenkombinat Borna. Von 1980 bis 1990 war sie Mitarbeiterin der LPG Pflanzenproduktion Wiederau-Zwenkau. Nach der Wende wurde sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Adenauer-Stiftung (1991 bis 1999 und 2005). CDU-Mitglied seit 1988, wurde sie in die letzte DDR-Volkskammer gewählt (März bis Oktober 1990), mit dem Übergang in den Bundestag (bis Dezember 1990). Landgraf war Landtagsabgeordnete von 1999 bis 2004, Stadträtin in Pegau seit 1995 (mit Auszeit) und einige Jahre Kreisrätin. 2005, 2009, 2013 und 2017 wurde sie als Direktkandidatin in den Bundestag gewählt, aus dem sie nun ausscheidet. „Wir müssen die CDU neu aufstellen“: Hat auch der Kanzlerkandidat Armin Laschet zu Ihrer Niederlage beigetragen? Ja. Ich kenne ihn nicht wirklich, weiß aber, dass er ein kenntnisreicher Sozialpolitiker ist. Ich habe schon gedacht, dass er es schaffen wird. Allerdings habe ich in Berlin immer klargemacht, dass bei uns fast alle Markus Söder als Kandidaten haben wollten. Bei Armin Laschet hatte ich gehofft, dass er sensibler in der Frage des Kohleausstieges sein würde, weil er damit auch in Nordrhein-Westfalen konfrontiert ist. Auf alle Fälle müssen wir uns als CDU neu aufstellen, sowohl inhaltlich als auch personell. Muss Armin Laschet weg? Ja. Sie waren 16 Jahre Vertreterin des Leipziger Landes und des Muldentals in Berlin. Was haben Sie konkret für Ihren Wahlkreis erreicht? Ich denke doch, einiges. Engagiert habe ich mich über vier Wahlperioden hinweg, dass das Bergbausanierungsprogramm für Mitteldeutschland fortgeführt werden konnte. Das tolle Neuseenland ist ja noch nicht fertig. Mit anschieben konnte ich in Berlin das Nationale Hochwasserschutzprogramm. Ich habe mich um den Agra-Tunnel in Markkleeberg bemüht, sodass er nunmehr in die konkrete Planung gehen kann. Dass es in der Perspektive eine S-Bahn-Verbindung von Leipzig nach Grimma geben wird, gehört ebenso zu meiner Bilanz wie auch die Pläne für eine Eisenbahnverbindung über Pegau nach Thüringen. Die Schaffung und Fortführung der Mehrgenerationenhäuser, wie es sie seit mehr als zehn Jahren in Wurzen, Grimma und Markranstädt gibt, gehören zu meiner Bilanz als Wahlkreisabgeordnete. Ich habe für die Unterstützung des Leipziger Symphonieorchester und der Sächsischen Bläserphilharmonie gekämpft. Erfolgreich konnte ich beispielsweise Bundesmittel einwerben für die Rettung des Schlosses Wiederau, des Arbeits- und Sterbehauses von Professor Wilhelm Wundt in Großbothen und für die Restaurierung der Kreuz-Kirche in Kitzen zu Hohenlohe. Bei diesem Blick auf die Habenseite stellt sich die Frage, womit Sie gescheitert sind? Ich habe über Jahre versucht, die Klosterkirche in Grimma mit Bundesmitteln aufzuwerten. Das hat nicht geklappt. Schließlich hat Luther dort elfmal gepredigt. Auch die Installation von Lärmschutzwänden an der A 14 bei Prösitz ist ein offener Posten – ebenso wie die dringend nötige Erweiterung der Lärmschutzwand an der A 72 bei Frauendorf. Nunmehr als Stadträtin in Pegau habe ich nach wie vor das Schloss Wiederau auf der Agenda. Es sollte künftighin auch für das Bachfest nutzbar sein. Bachs Kantate „Angenehmes Wiederau“ ist dafür ein schöner Ansatz. Schönste Zeit in der Volkskammer: Sie sind jetzt mehr als 30 Jahre in der Politik. Was war die schönste Zeit für Sie? Natürlich 1990 das halbe Jahr in der ersten frei gewählten Volkskammer. Auch die fünf Jahre im Landtag waren ein wichtiger Abschnitt, allerdings längst nicht so fordernd wie der Job im Bundestag. Muss die CDU nach dieser Bundestagswahl nicht ihr Verhältnis zur AfD überdenken? Gegenfrage: Warum? Was die AfD in den Plenardebatten gemacht hat, war unerträglich, so krass und beleidigend. Ich konnte nach mancher Rede von denen nicht mal mehr essen. Einfach nur übel. Sie haben nach Ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag viel Zeit. Was fangen Sie damit an? Ich will Waldhorn spielen lernen, im November fange ich damit an. Wir haben in der Familie elf Blechbläser, die haben mich dazu aufgefordert. Ich will die Sozialarbeiterin im Schülertreff Pegau unterstützen. Und dann habe ich neun Enkel, die müssen sich daran gewöhnen, dass ich jetzt auch zur Verfügung stehe. Ich möchte zudem im Freien Gymnasium Großdeuben mitarbeiten, in der Bibliothek vielleicht. Ansonsten bin ich ja nach wie vor ehrenamtliche Vorsitzende des Bildungswerkes Sachsen der Deutschen Gesellschaft sowie Mitglied im Präsidium des Internationalen Bundes. Da kommt keine Langeweile auf. Lesen Sie auch: „Tschüss Bundestag“ – drei Leipzigerinnen über große und kleine Momente der Politik Von Nikos Natsidis