Teurer Streit um Stromkonzessionen entzweit Leipzig und die Region
Ein Streit um die wertvollen örtlichen Stromnetze entzweit Leipzig mit vielen Städten und Dörfern im Umland. Im Grunde duellieren sich dabei die Leipziger Stadtwerke und der Regionalversorger EnviaM. Viele Kommunen beklagen, der Konflikt werde auf ihrem Rücken ausgetragen und verschlinge sinnlos Steuergeld.
Die Strompreise in Deutschland sind auch deshalb so hoch, weil sie sich aus vielen Komponenten zusammensetzen. Etwa 41 Prozent gehen für Steuern und andere staatlich vorgeschriebene Abgaben drauf. Nur 36 Prozent erhält der Stromerzeuger, der davon auch Gas oder Kohle bezahlen muss. Bei den übrigen 23 Prozent handelt es sich um Netzentgelte, welche an die Betreiber der Hochspannungstrassen sowie der örtlichen Verteilnetze fließen. Wer die Netze betreiben darf, kann damit also viel Geld verdienen. Lesen Sie auch Kommentar: Gesetzesbrei zu den Stromkonzessionen Im Raum Leipzig wird gerade heftig um die Konzessionen für die örtlichen Verteilnetze gestritten – und dabei nicht wenig Steuergeld vernichtet. Zum Teil laufen schon seit Jahren teure Gerichtsprozesse. Im Grunde geraten dabei stets der Regionalversorger EnviaM, der alle Netze der Kommunen im Umland der Metropole betreibt, und die Leipziger Stadtwerke aneinander. Letztere wollen ihr Netz vergrößern. Markkleeberg hat schon 250 000 Euro ausgegeben: Einige Kommunen beschweren sich, der Konflikt werde auf ihrem Rücken ausgetragen. Laut gesetzlichen Vorschriften müssen sie ihr örtliches Stromnetz regelmäßig neu ausschreiben. Dann kann sich theoretisch jeder Energieversorger um dessen Betrieb bewerben. Und am Ende die Vergabeentscheidung der Gemeinde juristisch anfechten, wenn sie ihm nicht gefällt. Allein die Stadt Markkleeberg habe daher schon 250.000 Euro für einen Rechtsstreit mit den Stadtwerken Leipzig aufbringen müssen, beklagt Oberbürgermeister Karsten Schütze (SPD). „Wir verbrennen hier richtig Geld für nichts und wieder nichts.“ Die 250 000 Euro fehlten der großen Kreisstadt für andere, wichtige Aufgaben. „Und ein Ende ist nicht absehbar.“ Vor gut drei Jahren sei Markkleeberg die erste Kommune in der Region gewesen, bei der eine Neuvergabe der Stromkonzession an EnviaM durch die Stadtwerke angefochten wurde. Schließlich ging die Sache vor Gericht. Inzwischen liege der Leipziger Energieversorger aber schon mit etwa 20 Kommunen in der Region über Kreuz, erzählt Schütze. Das koste die kleinen Städte und Gemeinden unnütz Millionen – zum Nachteil ihrer Bürgerinnen und Bürger. Bundesweit gibt es rund 20.000 Konzessionen für Strom- und Gasnetze, die jedoch aus historischen Gründen nicht immer genau mit den aktuellen Gemeindegrenzen übereinstimmen. Sie alle müssen spätestens nach 20 Jahren neu ausgeschrieben werden. Gegenwärtig laufen besonders viele Konzessionen in Ostdeutschland aus. Um mehr Wettbewerb zu ermöglichen und Vetternwirtschaft auszuschließen, hat der Gesetzgeber für die Neuvergabe ein Verfahren festgelegt, das allen Bewerbern gleiche Chancen sichern soll. Jedoch sind die Vorgaben dabei so kompliziert, dass die Gemeinden in aller Regel spezialisierte Anwaltskanzleien brauchen, um alles richtig zu machen. Stadtwerke lassen Vergaben in sieben Gemeinden prüfen: Für ihre Konzessionsvergabe erhalten die Kommunen übrigens eine Vergütung. Dabei ist es egal, wer das Rennen gewinnt. Der Betrag wurde staatlich festgelegt, er hängt von der Einwohnerzahl des Ortes und der Menge des dort durchgeleiteten Stroms ab. Zum Beispiel erhält eine Kleinstadt wie Taucha 1,32 Cent pro durchgeleiteter Kilowattstunde vom jeweiligen Konzessionsinhaber – umgerechnet sind das etwa 350.000 Euro im Jahr. In Metropolen wie Leipzig darf die Kommune sogar 2,39 Cent pro durchgeleiteter Kilowattstunde kassieren. Tauchas Bürgermeister Tobias Meier (FDP) kritisiert ebenfalls die Leipziger Stadtwerke. Nach der Vergabe der Stromkonzession an EnviaM im letzten September habe der unterlegene Bieter das Verfahren gerügt. „Allein diese Rügebearbeitung kostet uns die nächsten 30.000 bis 40.000 Euro“, bedauert Meier. Wegen der Erfahrungen in Markkleeberg habe Taucha vorsorglich 250.000 Euro für einen bald drohenden Rechtsstreit im Haushalt reserviert. „Dabei könnten wir das Geld an vielen anderen Stellen viel sinnvoller einsetzen.“ Lesen Sie auch Deutschland Spitzenreiter beim Strompreis Experten bezweifeln Befreiungsschlag durch Abschaffung von EEG-Umlage Strom: Bad Düben verlängert Vertrag mit EnviaM Die Stadtwerke und EnviaM streiten vor Gericht um Leipziger Strom-Konzessionen Aus Sicht der Leipziger Stadtwerke stellt sich die Situation jedoch ganz anders dar. Nach Angaben von Geschäftsführer Karsten Rogall lässt das Leipziger Unternehmen aktuell Entscheidungen von insgesamt sieben Kommunen in der Region überprüfen. Konkret handele es sich um Markkleeberg, Taucha, Großpösna, den Markranstädter Ortsteil Großlehna, Zwenkau, Jesewitz und Belgershain. Sie alle hätten ihre Konzessionen jüngst wieder an den Regionalversorger EnviaM vergeben, welcher seit langer Zeit die Stromnetze im gesamten Leipziger Umland betreibt. Die sieben Verfahren hätten sehr unterschiedliche Stände, erläutert Rogall. Mal gehe es um Ersuchen für eine Akteneinsicht, mal um anschließende Rügen oder – falls beides erfolglos blieb – auch um Klagen vor Gericht. Protestbrief an Leipzigs Oberbürgermeister Jung: Die Stadtwerke würden nur dann rechtliche Schritte einleiten, wenn ihre Anwaltskanzlei Becker Büttner Held (BBH) erhebliche Fehler bei den Vergaben erkenne, betont Rogall. Wo das nicht der Fall ist, werde die Entscheidung der Gemeinde akzeptiert. So habe der Leipziger Energieversorger – jeweils nach Akteneinsicht – die ebenfalls erst kürzlich erteilten Zuschläge an EnviaM in Bad Düben, Bad Dürrenberg und Leuna für in Ordnung befunden und hingenommen. In Markkleeberg hingegen habe man die vollständige Akteneinsicht erst gerichtlich durchsetzen müssen, berichtet der Geschäftsführer weiter. Im Anschluss sei die Vergabe gerügt worden. „Mir ist vollkommen unverständlich, wie die Stadt Markkleeberg für das bisherige Verfahren auf so hohe Kosten kommen konnte“, sagt Rogall. „Vermutlich handelt es sich da um ein Missverständnis.“ Auf Seiten der Stadtwerke sei die Summe für den Rechtsstreit jedenfalls deutlich kleiner ausgefallen. In Markkleeberg versichert Oberbürgermeister Schütze, bei den 250.000 Euro bereits entstandener Kosten handele es sich nicht um ein Missverständnis. „Ich kann diese Summe auf jeden Cent belegen.“ Ein Ende des Streits sei leider nicht in Sicht. Deshalb habe er sich unlängst mit einem Brief an seinen Leipziger Amtskollegen Burkhard Jung (SPD) gewandt, um gegen das Vorgehen der Stadtwerke zu protestieren. Renommierte Anwaltskanzleien auf vielen Seiten: Schützes Vorwurf, die Stadtwerke hätten einen „Mercedes unter den Anwaltskanzleien“ beauftragt, was die Umlandkommunen ebenfalls zu sehr teuren Sozietäten zwinge, lässt sich allerdings nicht erhärten. Markkleeberg und Großpösna etwa nutzen die vergleichsweise kleine Leipziger Kanzlei Gründelpartner. Andere Kommunen haben Noerr aus München mandatiert, EnviaM nimmt stets Raue aus Berlin. Letztere sind große, international tätige Wirtschaftskanzleien mit höchstem Renommee, die den Berliner BBH-Anwälten der Leipziger Stadtwerke in Nichts nachstehen dürften. Viele Kommunen in der Region vermuten freilich, die Stadtwerke würden bei ihnen nur deshalb so energisch nachfassen, weil sie EnviaM nichts gönnen würden. Anlass für diesen Verdacht ist, dass seit acht Jahren ein Streit zwischen den beiden Unternehmen um die Stromkonzessionen für etwa ein Drittel des Leipziger Stadtgebietes tobt. Er betrifft 19 eingemeindete Ortsteile (wie Lindenthal, Mölkau, Knautnaundorf), deren Konzessionen noch bis 2014 von EnviaM gehalten wurden. Bei der Neuvergabe entschied sich der Leipziger Stadtrat dann aber einstimmig für die Stadtwerke, die zu 100 Prozent der Stadt Leipzig gehören. Das passte EnviaM nicht. Der Alt-Konzessionär griff das Ergebnis unter anderem mit dem Argument an, bei der Abstimmung hätten auch Stadträte mitgewirkt, die zugleich im Aufsichtsrat der Stadtwerke saßen. Seitdem wird um die Herausgabe des Stromnetzes juristisch gerungen. Für nächsten Monat ist ein weiteres Urteil am Landgericht Leipzig angekündigt. Doch gleich wie es ausfallen wird – sehr wahrscheinlich geht die unterlegene Seite wieder in die nächste Instanz. EnviaM spricht von Sonderstellung in der Region: Seit 2015 läuft zudem ein fast analoger Streit um die Gaskonzessionen für die 19 eingemeindeten Leipziger Ortsteile plus Podelwitz (ein Ortsteil von Rackwitz). Hier weigert sich die zu EnviaM gehörende Mitgas, die Netze herauszurücken. Das Verfahren war schon am Bundesgerichtshof und dreht nun gerade die zweite juristische Runde durch die Instanzen. „Wir sind der Überzeugung, dass die angesprochenen Konzessionen für Strom und Gas zu Unrecht an die Leipziger Stadtwerke vergeben wurden“, bekräftigt Konzernsprecher Stefan Buscher die Haltung von EnviaM. Seit dem Jahr 2010 habe sich der Regionalversorger mit Sitz in Chemnitz (gehört mehrheitlich zu E.ON, Anteile halten auch 650 ostdeutsche Kommunen, große Niederlassungen bestehen in Markkleeberg, Kabelsketal, Halle und Cottbus) schon an 298 Ausschreibungen von Konzessionen in Sachsen beteiligt. „Nur in wenigen Ausnahmefällen kam es zu juristischen Auseinandersetzungen.“ Laut Buscher nimmt der Raum Leipzig bei dem Thema aber eine Sonderstellung ein: „Klagen gegen den Neuabschluss von Konzessionsverträgen mit uns sind in keiner anderen Region in Sachsen so häufig wie hier.“ Zu den Kosten ihrer bilateralen Rechtsstreitigkeiten um die Leipziger Netze wollen sich weder EnviaM noch die Stadtwerke konkret äußern. Geschäftsführer Rogall sagt immerhin, diese würden sowohl beim Strom als auch beim Gas noch weit unter den von Markkleeberg verlautbarten 250.000 Euro liegen. Messestadt hat drei von vier Gerichtsverfahren gewonnen: Wegen der Konzessionen im Leipziger Stadtgebiet habe EnviaM bisher vier Gerichtsverfahren gegen die Stadt Leipzig geführt, davon aber nur eins teilweise erfolgreich, erklärt Rathaussprecher Matthias Hasberg. Trotzdem seien der Messestadt dadurch Kosten von 58.000 Euro beim Strom sowie von 74.000 Euro beim Gas entstanden. Weitere finanzielle Aufwendungen erwarte das Rathaus nicht. Leipzigs Stadtwerke weisen jeden Verdacht zurück, ihr Vorgehen im Umland könne eine Retourkutsche dafür sein, dass EnviaM die Leipziger Netze nicht herausgeben will. „Wir haben seit Langem klar kommuniziert, dass wir in der Region wachsen möchten“, erklärt Rogall dazu. Deshalb bewerbe sich das Unternehmen gegenwärtig auch um die Stromkonzessionen für alle anderen Teile von Markranstädt, für Borsdorf, Krostitz, Pegau, Lützen, Rötha und Machern. Dort sind jeweils noch keine Entscheidungen über die Neuvergabe gefallen. „Mir persönlich bereitet es auch keine Freude, Gerichtsprozesse zu führen“, sagt Rogall. Doch als Geschäftsführer müsse er darauf achten, dass das Unternehmen der Stadt Leipzig bei Ausschreibungen nicht benachteiligt wird. Zum Beispiel hätten die BBH-Anwälte bei dem Verfahren in Taucha mehr als 40 Fehler moniert. „Das können wir nicht schulterzuckend hinnehmen.“ In mehreren Umlandgemeinden hätten Gerichte schon Anträge der Stadtwerke auf einstweilige Verfügungen bestätigt. Erst im Dezember 2021 zog etwa die Stadt Zwenkau eine Berufung dagegen wieder zurück. Laut dem Zwenkauer Rathaus ist derzeit unklar, ob das ganze Verfahren jetzt noch mal von vorn gestartet wird. Stadtwerke warten seit acht Jahren auf Netz-Herausgabe: Für die Energieversorger geht es bei den Konzessionen um große Einnahmequellen. Ihr Wert soll sich allein bei den eingemeindeten Leipziger Ortsteilen für die Laufzeit auf weit über 50 Millionen Euro summieren, was aber niemand offiziell bestätigt. Solange EnviaM diese Netze nicht herausgibt, sondern weiter betreibt, verbleibt der Gewinn daraus bei der E.ON-Tochter. Rogall spricht daher auch von einem „Webfehler bei den staatlichen Vorgaben“. Deutschlandweit würden wegen vieler offener Fragen zu den Konzessionen zahllose Prozesse geführt, wobei die Gerichte in einzelnen Bundesländern die Gesetze sogar unterschiedlich auslegten. „Es darf eigentlich nicht wahr sein, dass der Leipziger Stadtrat vor acht Jahren einstimmig zu unseren Gunsten entschieden hat, aber noch immer unklar ist, wann wir das hiesige Stromnetz übernehmen können“, meint er. Einig sind sich die Stadtwerke und EnviaM zumindest in einem Punkt: Der Wettbewerb bringe den Kommunen auch Vorteile. Durch die Konkurrenz könnten sie sich leichter günstige Preiskonditionen für ihre Bürger sichern – oder Serviceleistungen wie ein Kundencenter vor Ort oder einen besonders ökologischen Netzbetrieb. In Chemnitz formuliert es Sprecher Buscher so: „Klagen gegen die Konzessionsvergabe von Kommunen belegen, dass der Wettbewerb funktioniert. Dies kann dazu führen, dass im Extremfall auch kleinste Anhaltspunkte eine rechtliche Auseinandersetzung auslösen können. Dies ist für die betroffenen Kommunen natürlich belastend, aber nicht zu ändern.“ Von Jens Rometsch
Die Strompreise in Deutschland sind auch deshalb so hoch, weil sie sich aus vielen Komponenten zusammensetzen. Etwa 41 Prozent gehen für Steuern und andere staatlich vorgeschriebene Abgaben drauf. Nur 36 Prozent erhält der Stromerzeuger, der davon auch Gas oder Kohle bezahlen muss. Bei den übrigen 23 Prozent handelt es sich um Netzentgelte, welche an die Betreiber der Hochspannungstrassen sowie der örtlichen Verteilnetze fließen. Wer die Netze betreiben darf, kann damit also viel Geld verdienen. Lesen Sie auch Kommentar: Gesetzesbrei zu den Stromkonzessionen Im Raum Leipzig wird gerade heftig um die Konzessionen für die örtlichen Verteilnetze gestritten – und dabei nicht wenig Steuergeld vernichtet. Zum Teil laufen schon seit Jahren teure Gerichtsprozesse. Im Grunde geraten dabei stets der Regionalversorger EnviaM, der alle Netze der Kommunen im Umland der Metropole betreibt, und die Leipziger Stadtwerke aneinander. Letztere wollen ihr Netz vergrößern. Markkleeberg hat schon 250 000 Euro ausgegeben: Einige Kommunen beschweren sich, der Konflikt werde auf ihrem Rücken ausgetragen. Laut gesetzlichen Vorschriften müssen sie ihr örtliches Stromnetz regelmäßig neu ausschreiben. Dann kann sich theoretisch jeder Energieversorger um dessen Betrieb bewerben. Und am Ende die Vergabeentscheidung der Gemeinde juristisch anfechten, wenn sie ihm nicht gefällt. Allein die Stadt Markkleeberg habe daher schon 250.000 Euro für einen Rechtsstreit mit den Stadtwerken Leipzig aufbringen müssen, beklagt Oberbürgermeister Karsten Schütze (SPD). „Wir verbrennen hier richtig Geld für nichts und wieder nichts.“ Die 250 000 Euro fehlten der großen Kreisstadt für andere, wichtige Aufgaben. „Und ein Ende ist nicht absehbar.“ Vor gut drei Jahren sei Markkleeberg die erste Kommune in der Region gewesen, bei der eine Neuvergabe der Stromkonzession an EnviaM durch die Stadtwerke angefochten wurde. Schließlich ging die Sache vor Gericht. Inzwischen liege der Leipziger Energieversorger aber schon mit etwa 20 Kommunen in der Region über Kreuz, erzählt Schütze. Das koste die kleinen Städte und Gemeinden unnütz Millionen – zum Nachteil ihrer Bürgerinnen und Bürger. Bundesweit gibt es rund 20.000 Konzessionen für Strom- und Gasnetze, die jedoch aus historischen Gründen nicht immer genau mit den aktuellen Gemeindegrenzen übereinstimmen. Sie alle müssen spätestens nach 20 Jahren neu ausgeschrieben werden. Gegenwärtig laufen besonders viele Konzessionen in Ostdeutschland aus. Um mehr Wettbewerb zu ermöglichen und Vetternwirtschaft auszuschließen, hat der Gesetzgeber für die Neuvergabe ein Verfahren festgelegt, das allen Bewerbern gleiche Chancen sichern soll. Jedoch sind die Vorgaben dabei so kompliziert, dass die Gemeinden in aller Regel spezialisierte Anwaltskanzleien brauchen, um alles richtig zu machen. Stadtwerke lassen Vergaben in sieben Gemeinden prüfen: Für ihre Konzessionsvergabe erhalten die Kommunen übrigens eine Vergütung. Dabei ist es egal, wer das Rennen gewinnt. Der Betrag wurde staatlich festgelegt, er hängt von der Einwohnerzahl des Ortes und der Menge des dort durchgeleiteten Stroms ab. Zum Beispiel erhält eine Kleinstadt wie Taucha 1,32 Cent pro durchgeleiteter Kilowattstunde vom jeweiligen Konzessionsinhaber – umgerechnet sind das etwa 350.000 Euro im Jahr. In Metropolen wie Leipzig darf die Kommune sogar 2,39 Cent pro durchgeleiteter Kilowattstunde kassieren. Tauchas Bürgermeister Tobias Meier (FDP) kritisiert ebenfalls die Leipziger Stadtwerke. Nach der Vergabe der Stromkonzession an EnviaM im letzten September habe der unterlegene Bieter das Verfahren gerügt. „Allein diese Rügebearbeitung kostet uns die nächsten 30.000 bis 40.000 Euro“, bedauert Meier. Wegen der Erfahrungen in Markkleeberg habe Taucha vorsorglich 250.000 Euro für einen bald drohenden Rechtsstreit im Haushalt reserviert. „Dabei könnten wir das Geld an vielen anderen Stellen viel sinnvoller einsetzen.“ Lesen Sie auch Deutschland Spitzenreiter beim Strompreis Experten bezweifeln Befreiungsschlag durch Abschaffung von EEG-Umlage Strom: Bad Düben verlängert Vertrag mit EnviaM Die Stadtwerke und EnviaM streiten vor Gericht um Leipziger Strom-Konzessionen Aus Sicht der Leipziger Stadtwerke stellt sich die Situation jedoch ganz anders dar. Nach Angaben von Geschäftsführer Karsten Rogall lässt das Leipziger Unternehmen aktuell Entscheidungen von insgesamt sieben Kommunen in der Region überprüfen. Konkret handele es sich um Markkleeberg, Taucha, Großpösna, den Markranstädter Ortsteil Großlehna, Zwenkau, Jesewitz und Belgershain. Sie alle hätten ihre Konzessionen jüngst wieder an den Regionalversorger EnviaM vergeben, welcher seit langer Zeit die Stromnetze im gesamten Leipziger Umland betreibt. Die sieben Verfahren hätten sehr unterschiedliche Stände, erläutert Rogall. Mal gehe es um Ersuchen für eine Akteneinsicht, mal um anschließende Rügen oder – falls beides erfolglos blieb – auch um Klagen vor Gericht. Protestbrief an Leipzigs Oberbürgermeister Jung: Die Stadtwerke würden nur dann rechtliche Schritte einleiten, wenn ihre Anwaltskanzlei Becker Büttner Held (BBH) erhebliche Fehler bei den Vergaben erkenne, betont Rogall. Wo das nicht der Fall ist, werde die Entscheidung der Gemeinde akzeptiert. So habe der Leipziger Energieversorger – jeweils nach Akteneinsicht – die ebenfalls erst kürzlich erteilten Zuschläge an EnviaM in Bad Düben, Bad Dürrenberg und Leuna für in Ordnung befunden und hingenommen. In Markkleeberg hingegen habe man die vollständige Akteneinsicht erst gerichtlich durchsetzen müssen, berichtet der Geschäftsführer weiter. Im Anschluss sei die Vergabe gerügt worden. „Mir ist vollkommen unverständlich, wie die Stadt Markkleeberg für das bisherige Verfahren auf so hohe Kosten kommen konnte“, sagt Rogall. „Vermutlich handelt es sich da um ein Missverständnis.“ Auf Seiten der Stadtwerke sei die Summe für den Rechtsstreit jedenfalls deutlich kleiner ausgefallen. In Markkleeberg versichert Oberbürgermeister Schütze, bei den 250.000 Euro bereits entstandener Kosten handele es sich nicht um ein Missverständnis. „Ich kann diese Summe auf jeden Cent belegen.“ Ein Ende des Streits sei leider nicht in Sicht. Deshalb habe er sich unlängst mit einem Brief an seinen Leipziger Amtskollegen Burkhard Jung (SPD) gewandt, um gegen das Vorgehen der Stadtwerke zu protestieren. Renommierte Anwaltskanzleien auf vielen Seiten: Schützes Vorwurf, die Stadtwerke hätten einen „Mercedes unter den Anwaltskanzleien“ beauftragt, was die Umlandkommunen ebenfalls zu sehr teuren Sozietäten zwinge, lässt sich allerdings nicht erhärten. Markkleeberg und Großpösna etwa nutzen die vergleichsweise kleine Leipziger Kanzlei Gründelpartner. Andere Kommunen haben Noerr aus München mandatiert, EnviaM nimmt stets Raue aus Berlin. Letztere sind große, international tätige Wirtschaftskanzleien mit höchstem Renommee, die den Berliner BBH-Anwälten der Leipziger Stadtwerke in Nichts nachstehen dürften. Viele Kommunen in der Region vermuten freilich, die Stadtwerke würden bei ihnen nur deshalb so energisch nachfassen, weil sie EnviaM nichts gönnen würden. Anlass für diesen Verdacht ist, dass seit acht Jahren ein Streit zwischen den beiden Unternehmen um die Stromkonzessionen für etwa ein Drittel des Leipziger Stadtgebietes tobt. Er betrifft 19 eingemeindete Ortsteile (wie Lindenthal, Mölkau, Knautnaundorf), deren Konzessionen noch bis 2014 von EnviaM gehalten wurden. Bei der Neuvergabe entschied sich der Leipziger Stadtrat dann aber einstimmig für die Stadtwerke, die zu 100 Prozent der Stadt Leipzig gehören. Das passte EnviaM nicht. Der Alt-Konzessionär griff das Ergebnis unter anderem mit dem Argument an, bei der Abstimmung hätten auch Stadträte mitgewirkt, die zugleich im Aufsichtsrat der Stadtwerke saßen. Seitdem wird um die Herausgabe des Stromnetzes juristisch gerungen. Für nächsten Monat ist ein weiteres Urteil am Landgericht Leipzig angekündigt. Doch gleich wie es ausfallen wird – sehr wahrscheinlich geht die unterlegene Seite wieder in die nächste Instanz. EnviaM spricht von Sonderstellung in der Region: Seit 2015 läuft zudem ein fast analoger Streit um die Gaskonzessionen für die 19 eingemeindeten Leipziger Ortsteile plus Podelwitz (ein Ortsteil von Rackwitz). Hier weigert sich die zu EnviaM gehörende Mitgas, die Netze herauszurücken. Das Verfahren war schon am Bundesgerichtshof und dreht nun gerade die zweite juristische Runde durch die Instanzen. „Wir sind der Überzeugung, dass die angesprochenen Konzessionen für Strom und Gas zu Unrecht an die Leipziger Stadtwerke vergeben wurden“, bekräftigt Konzernsprecher Stefan Buscher die Haltung von EnviaM. Seit dem Jahr 2010 habe sich der Regionalversorger mit Sitz in Chemnitz (gehört mehrheitlich zu E.ON, Anteile halten auch 650 ostdeutsche Kommunen, große Niederlassungen bestehen in Markkleeberg, Kabelsketal, Halle und Cottbus) schon an 298 Ausschreibungen von Konzessionen in Sachsen beteiligt. „Nur in wenigen Ausnahmefällen kam es zu juristischen Auseinandersetzungen.“ Laut Buscher nimmt der Raum Leipzig bei dem Thema aber eine Sonderstellung ein: „Klagen gegen den Neuabschluss von Konzessionsverträgen mit uns sind in keiner anderen Region in Sachsen so häufig wie hier.“ Zu den Kosten ihrer bilateralen Rechtsstreitigkeiten um die Leipziger Netze wollen sich weder EnviaM noch die Stadtwerke konkret äußern. Geschäftsführer Rogall sagt immerhin, diese würden sowohl beim Strom als auch beim Gas noch weit unter den von Markkleeberg verlautbarten 250.000 Euro liegen. Messestadt hat drei von vier Gerichtsverfahren gewonnen: Wegen der Konzessionen im Leipziger Stadtgebiet habe EnviaM bisher vier Gerichtsverfahren gegen die Stadt Leipzig geführt, davon aber nur eins teilweise erfolgreich, erklärt Rathaussprecher Matthias Hasberg. Trotzdem seien der Messestadt dadurch Kosten von 58.000 Euro beim Strom sowie von 74.000 Euro beim Gas entstanden. Weitere finanzielle Aufwendungen erwarte das Rathaus nicht. Leipzigs Stadtwerke weisen jeden Verdacht zurück, ihr Vorgehen im Umland könne eine Retourkutsche dafür sein, dass EnviaM die Leipziger Netze nicht herausgeben will. „Wir haben seit Langem klar kommuniziert, dass wir in der Region wachsen möchten“, erklärt Rogall dazu. Deshalb bewerbe sich das Unternehmen gegenwärtig auch um die Stromkonzessionen für alle anderen Teile von Markranstädt, für Borsdorf, Krostitz, Pegau, Lützen, Rötha und Machern. Dort sind jeweils noch keine Entscheidungen über die Neuvergabe gefallen. „Mir persönlich bereitet es auch keine Freude, Gerichtsprozesse zu führen“, sagt Rogall. Doch als Geschäftsführer müsse er darauf achten, dass das Unternehmen der Stadt Leipzig bei Ausschreibungen nicht benachteiligt wird. Zum Beispiel hätten die BBH-Anwälte bei dem Verfahren in Taucha mehr als 40 Fehler moniert. „Das können wir nicht schulterzuckend hinnehmen.“ In mehreren Umlandgemeinden hätten Gerichte schon Anträge der Stadtwerke auf einstweilige Verfügungen bestätigt. Erst im Dezember 2021 zog etwa die Stadt Zwenkau eine Berufung dagegen wieder zurück. Laut dem Zwenkauer Rathaus ist derzeit unklar, ob das ganze Verfahren jetzt noch mal von vorn gestartet wird. Stadtwerke warten seit acht Jahren auf Netz-Herausgabe: Für die Energieversorger geht es bei den Konzessionen um große Einnahmequellen. Ihr Wert soll sich allein bei den eingemeindeten Leipziger Ortsteilen für die Laufzeit auf weit über 50 Millionen Euro summieren, was aber niemand offiziell bestätigt. Solange EnviaM diese Netze nicht herausgibt, sondern weiter betreibt, verbleibt der Gewinn daraus bei der E.ON-Tochter. Rogall spricht daher auch von einem „Webfehler bei den staatlichen Vorgaben“. Deutschlandweit würden wegen vieler offener Fragen zu den Konzessionen zahllose Prozesse geführt, wobei die Gerichte in einzelnen Bundesländern die Gesetze sogar unterschiedlich auslegten. „Es darf eigentlich nicht wahr sein, dass der Leipziger Stadtrat vor acht Jahren einstimmig zu unseren Gunsten entschieden hat, aber noch immer unklar ist, wann wir das hiesige Stromnetz übernehmen können“, meint er. Einig sind sich die Stadtwerke und EnviaM zumindest in einem Punkt: Der Wettbewerb bringe den Kommunen auch Vorteile. Durch die Konkurrenz könnten sie sich leichter günstige Preiskonditionen für ihre Bürger sichern – oder Serviceleistungen wie ein Kundencenter vor Ort oder einen besonders ökologischen Netzbetrieb. In Chemnitz formuliert es Sprecher Buscher so: „Klagen gegen die Konzessionsvergabe von Kommunen belegen, dass der Wettbewerb funktioniert. Dies kann dazu führen, dass im Extremfall auch kleinste Anhaltspunkte eine rechtliche Auseinandersetzung auslösen können. Dies ist für die betroffenen Kommunen natürlich belastend, aber nicht zu ändern.“ Von Jens Rometsch