friendica (DFRN) - Link zum Originalbeitrag

Tagebauseen schuld an Dürre im Raum Leipzig? Bauern und Fachleute auf Ursachensuche


Die Tagebauseen südlich von Leipzig sollen eine Mitschuld an der Trockenheit der letzten Jahre haben. Aber stimmt das auch? Fachleute und Bauern sind auf Ursachenforschung. Auch wenn harte Daten fehlen: Ganz aus der Luft gegriffen ist die Vermutung wohl nicht.

Beeinflussen die Tagebauseen rund um Leipzig das Klima? Haben sie gar eine Mitschuld an der extremen Trockenheit der letzten Jahre? Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) ist davon überzeugt. „So schön wie die Seen auch aus Sicht der Naherholung sind, ihre Schaffung hat natürlich Folgen. Sowohl was Verdunstung als auch was die Veränderung des kleinräumigen Klimas betrifft – manche Orte bekommen jetzt einfach weniger Niederschläge ab“, warnte er im LVZ-Interview Ende August. Auch der Präsident des Sächsischen Bauernverbandes, Torsten Krawczyk, sagte: „Die Bauern vor Ort vermuten, dass die neu entstandene Seenlandschaft das Wetter stark beeinflusst.“ Vor der Flutung der Tagebaue habe das anders ausgesehen. Aber stimmt das auch? Experte: „Wasserflächen haben Einfluss auf die Umgebung“: Klimareferent Johannes Franke vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) meint: „Das ist alles nicht so einfach zu beantworten.“ Eigentlich müsste dafür ein wissenschaftliches Modell erstellt werden. „Aber allgemein kann man davon ausgehen, dass solche Wasserflächen einen Einfluss auf die unmittelbare Umgebung haben.“ Was Sachsen in den vergangenen zehn Jahren erlebt habe, hänge mit Temperaturen zusammen, die im Vergleich zu vorhergehenden Dekaden viel höher waren. „Steigt die Temperatur in der Atmosphäre aber auch nur um ein Grad, kann die Luftmasse sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen“, rechnet Franke vor. Ergo: Die Wolkenbildung als erster Schritt zur Niederschlagsbildung werde unterdrückt. Wandere eine heiße Luftmasse hingegen von einer Stadt übers Umland könne das zu einer ausreichenden Abkühlung führen. Aber wiederum auch nur, wenn die Wasserfläche ausreichend groß sei. „Es ist aber auch möglich, dass Niederschlag durch Fronten herantransportiert wird. Dann können Sie den Einfluss des Sees vergessen.“ Regionalplaner: Tagebauseen gibt’s nicht erst seit drei Jahren: Der Chef der Planungstelle im Regionalen Planungsverband Westsachsen, Andreas Berkner, macht sich ebenfalls sein Gedanken über die Klimaveränderung. Er sagt aber: „Die Tagebauseen in Mitteldeutschland gibt es ja nicht erst seit drei Jahren.“ Sie seien vielmehr sukzessive in den vergangenen 20 Jahren entstanden: So gäbe es den Cospudener See seit dem Jahr 2000, den Markkleeberger See seit 2006, den Störmthaler See seit 2013 und den Zwenkauer See seit 2015. Die Trockenperiode begann aber erst 2018. „Und dieses Jahr ist gar nicht so dramatisch“, so Berkner. „Wir werden Ende 2020 vermutlich kaum ein Niederschlagsdefizit haben.“ Natürlich hätten die Tagebauseen regionalklimatischen Einfluss – es verdunste mehr Flüssigkeit, die Wasserbilanz werde verändert – doch die grundsätzliche Klimasituation sei sehr viel großräumiger, als dass man sie mit den Tagebaufolgelandschaften erklären könne. „Wir werden auch wieder mal nasse Jahre haben“: Auch in der Vergangenheit habe es bereits mehrjährige Trockenperioden gegeben, beispielsweise 1974 bis 1976 und auch Anfang der 1990-er-Jahre. Berkner: „Wir werden auch wieder mal nasse Jahre haben.“ Bei Hochwasser jammerten alle über zu viel Wasser und bei Trockenheit über zu wenig. Ergo: „Die Tagebauseen sind da und ich könnte daran auch nichts mehr ändern.“ Obstland-Chef: Mehr Regen nur in weiter entfernten Gebieten: Jan Kalbitz ist Vorstand der Obstland Dürrweitzschen AG (Kreis Leipzig), deren obst- und feldbaulichen Flächen zwischen 35 und 50 Kilometer entfernt liegen – in fast genau östlicher Richtung der gefluteten Tagebaue im Südraum von Leipzig. Er sagt, man könne für die letzten Jahre durchaus feststellen, dass auf den weiter von den Seen entfernten Anbauflächen (Einzugsgebiet Stadt Mügeln, Nordsachsen) während der Vegetation mehr Niederschlag fällt, als an den näher an den Seen liegenden Anbauflächen (Einzugsgebiet Grimma). Kalbitz: „Kollegen sprechen daher über die Gegend nordöstlich der A14 vom ,gesegneten Land’“. Die Niederschlagsverteilung sei allerdings in den letzten Sommern auch stark geprägt gewesen von kleinräumigen und mitunter heftigen kurzen Niederschlägen und Unwettern. Das heiße konkret, dass es dabei womöglich im Nachbardorf nicht auch geregnet hat oder haben muss. „Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass das Neuseenland mit mehreren Tausend Hektar Wasserfläche einen kleinräumigen Einfluss auf das Wetter hat“, legt sich der Obstland-Chef fest. Von Roland Herold