„Landkreise in Sachsen bremsen uns“ – EnviaM setzt dennoch auf Ausbau der Windkraft
Der ostdeutsche Energiedienstleister EnviaM will weiter in den Ausbau seines Netzes und in erneuerbare Energien investieren. Allerdings fehlen insbesondere in Sachsen die Flächen dafür. Zugleich will EnviaM sein Glasfasernetz erweitern. Im Landkreis Leipzig sollen erstmals Privatkunden angeschlossen werden.
Der Energiedienstleister EnviaM mit Sitz in Chemnitz will stärker in Windkraft investieren, kann das in Sachsen aber nicht wie gewünscht. „Die Regionalpläne der einzelnen Landkreise stehen dem im Weg“, macht Vorstandschef Stephan Lowis deutlich. „Wir würden gerne, aber aktuell fehlen die ausgewiesene Flächen für den Bau von mehr Windkraftanlagen.“ Er wäre froh, wenn sich die Landkreise für das Thema Windenergie stärker erwärmen könnten.
Mit dem Ausstieg aus Kohle und Kernenergie wachse der Handlungsdruck. Deshalb will das ostdeutsche Unternehmen in diesem Jahr 322 Millionen Euro in den Netzausbau und in erneuerbare Energien investieren. Mit 248 Millionen Euro habe man bereits im Vorjahr Rekordinvestitionen auf den Weg gebracht.
Osten ist dem Westen um zehn Jahre voraus
Für die Ansiedlung von Industrieunternehmen würden erneuerbare Energien immer wichtiger, zeigt sich Lowis überzeugt. „Ostdeutschland verfügt hier über sehr gute Standortbedingungen.“ Dem Westen sei man mindestens zehn Jahre voraus. „In vielen Netzregionen wird schon jetzt mehr Strom aus erneuerbaren Energien produziert als verbraucht wird.“ Das treffe insbesondere auf Brandenburg und Sachsen-Anhalt zu. Sachsen liege weit dahinter.
Vorgesehen ist, im laufenden Jahr die Leistungserhöhung (Repowering) des Windparks in Woschkow (Brandenburg) abzuschließen und den Windpark in Lützen (Sachsen-Anhalt) weiter auszubauen. Die installierte Leistung der Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien des Unternehmens erhöhe sich so um weitere 33 auf 174 Megawatt.
Auch in Solarenergie will EnviaM weiter investieren. Da sei in diesem diesem Jahr der Bau von fünf neuen Solarparks geplant, und zwar in Borau und Nienburg (Sachsen-Anhalt), in Guben (Brandenburg) sowie in Markkleeberg und Neukirchen (Sachsen). Beabsichtigt ist, an den Solarparks in Markkleeberg und Nienburg auch Bürger zu beteiligen. Mehr und größere Solarparks wären wünschenswert, wie Vertriebsvorstand Andreas Auerbach erklärt. „Nur fehlen uns auch dafür die nötigen Flächen.“
EnviaM investiert in grünen Wasserstoff
Noch gebe es keine Möglichkeit, Strom aus Sonne und Wind effektiv zu speichern. Lowis, der 2018 von der Essener Innogy (heute Eon-Tochter) nach Chemnitz gewechselt war, setzt in dieser Frage auf Wasserstoff. „Aktuell ist die Herstellung und Anwendung von Wasserstoff allerdings nicht wirtschaftlich.“ Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht schaffe sich noch niemand einen Elektrolyseur zur künstlichen Erzeugung von Wasserstoff an. Man sei mit der Politik aber in guten Gesprächen, um Anreize zu schaffen.
Im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen betreibt der Energiedienstleister bereits eine eigene Anlage zur Weiterleitung von Wasserstoff. Das Projekt laufe gut, die Tests sollen deshalb über den bislang geplanten Zeitraum 2024 hinaus verlängert werden. Zugleich untersucht EnviaM in Bitterfeld die Umwandlung von CO2 mit Hilfe von Wasserstoff in Methanol. Abnehmer vor Ort gebe es dafür genug.
Wachstumschancen sieht Lowis auch im Ausbau des Glasfasernetzes. In einem Pilotprojekt im Landkreis Leipzig will das Unternehmen erstmals sein Netz für Privatkunden öffnen. Geplant ist, die Kommunen Böhlen, Elstertrebnitz, Groitzsch, Pegau und Zwenkau mit insgesamt 16.000 Haushalten an das Glasfasernetz anzubinden. Zur Zeit schließe man Verträge mit Privatkunden ab. „Kommen wir auf einen Anteil über 35 Prozent der Haushalte, legen wir los“, so Vertriebsvorstand Andreas Auerbach. In zwei Gemeinden habe man das Ziel bereits erreicht, in den anderen sehe es bereits sehr gut aus. Die Baumaßnahmen sollen Mitte 2021 beginnen. Die Investitionen dafür belaufen sich bis 2024 auf 55 Millionen Euro.
Gas- und Strompreise sollen in diesem Jahr stabil bleiben
Für das laufende Jahr rechne man mit einem stabilen Absatz bei Strom und Gas, nachdem im Vorjahr der Umsatz auf knapp 2,78 Milliarden Euro (2019: 3,09 Milliarden) gesunken ist. Zwei Gründe nannte Lowis dafür. Zum einen sei die Nachfrage nach Gas und Strom in der Corona-Krise zurückgegangen. Zum anderen verlor EnviaM durch einen verschärften Wettbewerb Kunden an die Konkurrenz. Die Kundenzahl ist auf 1,276 Millionen gesunken (2019: 1,314). „Allerdings haben wir zum Jahresende wieder Boden gut machen können“, erklärt der aus Altersgründen aus dem Unternehmen ausscheidende Personalvorstand Ralf Hiltenkamp.
Die gute Nachricht für Privatkunden: Eine Erhöhung der Gas- und Strompreise ist für dieses Jahr nicht vorgesehen.
Trotz des sinkenden Umsatzes sei das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis (Ebit) mit 317,9 Millionen Euro fast gleich geblieben. Die Anteilseigner sollen erneut eine Dividende von 0,65 Euro je Aktie erhalten.
Mehrheitseigentümer ist die Eon-Tochtergesellschaft Innogy mit 58,57 Prozent. Rund 650 ostdeutsche Kommunen sind mit 41,43 Prozent beteiligt.
Von Andreas Dunte