Handwerk, Fahrräder, Smartphones, Drucken – Lieferengpässe stellen auch Unternehmer in der Region Leipzig vor große Probleme
Fahrradverkäufer, Holzhandwerker, Elektronik-Händler und Druckereibesitzer: Sie alle versuchen, trotz stockender Lieferungen und fehlender Materialien für ihre Kunden das Beste rauszuholen. Doch teils verbessert sich die Lage erst 2023.
Die Unterbrechung von Lieferketten infolge der weltweiten Corona-Pandemie hat auch in Sachsen heftige Auswirkungen auf die Wirtschaft – und das bis in die kleinste Werkstatt. Auch Unternehmer in und um die Stadt Leipzig suchen nach Lösungen, um mit dem Mangel zurechtzukommen. Druckereien: Papierknappheit „erinnert ein bisschen an DDR-Zeiten“: Es ist schon verrückt: Im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung wird auf einmal ausgerechnet Papier zur Mangelware und zu einem äußerst begehrten und teuren Material. „So was habe ich noch nicht erlebt“, sagt René Fritsch, „das ist total verrückt und erinnert ein bisschen an DDR-Zeiten.“ Der 54-Jährige ist Geschäftsführer der Fritsch Druck GmbH, der größten noch in Leipzig verbliebenen Druckerei. Durch die Corona-Lockdowns waren ohnehin schon reihenweise Aufträge weggebrochen. Den Umsatzeinbruch beziffert er auf mehr als 30 Prozent. Das 1990 gegründete Leipziger Unternehmen beschäftigt 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und produziert aktuell nur noch in Zwenkau (Kreis Leipzig). Seinen Druckstandort in der Heiterblickstraße in Leipzig hat Fritsch erst mal weitestgehend aufgegeben. Jetzt, da immer mehr Kunden zurückkommen, ist die Branche mit einem völlig neuen Problem konfrontiert. Dienstleister, die im sogenannten Streckengeschäft die Druckereien direkt von der Papierfabrik bedienen, haben inzwischen Lieferzeiten nicht selten von drei Monaten. Dabei ist diese Art von Geschäft gerade bei Firmen, die größere Mengen bestellen, schon deshalb Standard, weil sie die Kosten für die Zwischenhändler sparen. „Dadurch war für uns das Papier deutlich billiger“, erklärt Fritsch. „Deshalb waren wir immer bestrebt, so viele Streckengeschäfte wie möglich zu machen – also Bedarfe zu bündeln, drei, vier Standardsorten zu ordern und erst wenn das Papier zur Neige geht, nachzubestellen.“ Diese Kette, die bislang reibungslos lief, ist nun unterbrochen. „Das ist dem Kunden schwer zu vermitteln“, so Fritsch. „Wir haben ja den Anspruch, schnellste Druckerei zu sein. Im Prinzip können wir innerhalb von 24 Stunden liefern.“ Die Zwischenhändler verlangen nicht nur die ohnehin höheren Preise. „Sie haben weiter angezogen und setzen Energieaufschläge noch unangekündigt drauf.“ Sogar bereits bestelltes Papier werde so noch einmal teurer. „150 Euro pro Tonne. Das ist für uns relevant“, sagt der Druckerei-Chef. Oft habe er längerfristige Verträge mit seinen Auftraggebern geschlossen. „Wenn da keine Preisgleitklausel enthalten ist“, sagt er, „dann hast du ein richtiges Problem. Ich müsste dann Aufträge produzieren, die deutlich ins Minus laufen.“ Nach den Worte von Fritsch hilft man sich in der Branche jetzt untereinander. Größere Druckereien stellen kleineren, die oft nur A2-Formate drucken, ihre Restposten zur Verfügung. Fritsch: „Wenn ich 500 Bogen A1 über habe, kann ich damit eigentlich nichts mehr anfangen. Aber für die sind das 1000 Bogen, das ist schon was.“ Sieht er Anzeichen für eine Entspannung. „Nein, im Gegenteil“, sagt der Leipziger Druckerei-Chef. „Es wird noch schlimmer.“ So sei beispielsweise in Norwegen kürzlich eine große Papierfabrik außer Betrieb gegangen. „Die stellen um auf Verpackungskarton, das bringt noch mehr Marge.“ Handwerk: Es dauert – und es kostet: „Ich brauch’ mal schnell...“ – wer gerade einen Handwerker sucht, dürfte sich die Augen reiben. Es dauert – und es kostet. Statt „nächste Woche“ wird der Auftrag vielleicht erst „nächstes Jahr“ ausgeführt. Laut einer Umfrage des Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) waren Ende August drei von vier befragten Betrieben von Lieferschwierigkeiten bei bestimmten Materialien betroffen, 84 Prozent der befragten Firmen mussten Aufträge verschieben oder stornieren. Unterdessen explodieren die Preise für Rohstoffe, Vorprodukte und Waren. Das Holzhandwerk war Anfang des Jahres mit als erste Branche betroffen. Zuerst wurde Bauholz knapp, dann auch Spanplatten und Sperrholzplatten. Parallel dazu stiegen die Preise auf Rekordniveau. „Für Konstruktionsvollhölzer wurden im vergangenen Winter noch 450 bis 490 Euro pro Kubikmeter verlangt. Dann kletterte der Preis bis auf 1000 Euro pro Kubikmeter. Jetzt entwickelt er sich wieder rückläufig und liegt bei 530 bis 550 Euro pro Kubikmeter“, berichtet Ralf Peukert, Zimmermann und Holzbauer aus Albrechtshain im Kreis Leipzig. Bis zum Sommer war das ein großes Thema. Mittlerweile komme man wieder an Material heran, auch kurzfristig. Viele Dinge sind für die aktuelle Situation verantwortlich. „Während Corona gingen etliche Firmen in Kurzarbeit. Die Sägewerke und Holzhändler suchten sich neue Abnehmer auf dem internationalen Markt. Jetzt sind sie an die Verträge gebunden und müssen liefern“, sagt Jens Mantke aus Taucha (Kreis Nordsachsen), Obermeister der Innung Holzhandwerk. Drastisch steigende Energiepreise machen allen zu schaffen, besonders Betrieben mit hohem Energieverbrauch wie Dachziegel- oder Glasherstellern. Auch Fachkräftemangel ist ein Thema – er führt dazu, dass Handwerksbetriebe ihre Kapazitäten reduzieren und nur noch kleine Aufträge ausführen. Knappheit herrscht nach wie vor bei Dämmstoffen wie Styropor zum Verkleiden von Hausfassaden. Im Sanitärhandwerk fehlen Kunststoff-Rohre, im Elektrohandwerk Kabel. Stahlprodukte aller Art, darunter auch Schrauben, Nägel, Beschläge, Schlösser oder Scharniere, haben sich verteuert. Auf bestimmte Sicherheitsgläser wartet der Glaser nicht mehr eine Woche, sondern vier bis sieben Wochen, bei gleichzeitiger Preissteigerung um 25 Prozent. „Der Kunde wundert sich, dass die Angebote vom letzten Jahr nicht mehr gültig sind“, sagt Arnd Steyer, Obermeister der Glaserinnung. Doch der Handwerksbetrieb müsse den Energie- und Spritpreisanstieg an die Kunden weitergeben. „Deshalb empfehlen wir eine Preisgleitklausel“, sagt Andrea Wolter von der Handwerkskammer zu Leipzig. Das bedeutet: Der Kunde muss mit ran, wenn die Preise deutlich nach oben gehen, damit der Handwerksbetrieb nicht auf den Mehrkosten sitzenbleibt. 63 Prozent der befragten Betriebe schätzen laut ZDH-Umfrage ein, dass sie aufgrund der Preissprünge nicht zuverlässig kalkulieren und damit letztlich nicht wirtschaftlich arbeiten können. Fahrräder: Flexibilität ist nötig – oder Geduld: Mindestens eine von zwei Eigenschaften muss derzeit die Kundschaft von Fahrradhändlern mitbringen: Flexibilität oder Geduld. Dazu zwingt die derzeitige Lieferkrise. „Wenn das gewünschte Modell nicht da ist, bietet sich das Umschwenken auf ein anderes, vorhandenes an – oder man wird eine Weile warten müssen“, sagt Gerd May, Chef des Bike Department Ost in Leipzig. Seit dem ersten Corona-Lockdown wirkt sich die Krise auf die Fahrrad-Branche besonders deutlich und besonders unterschiedlich aus. Erst herrschte Stillstand, dann kam der Ansturm, und nun regiert der Engpass. Der hat inzwischen weniger mit den Folgen enormer Nachfrage zu tun – Wege auf dem Rad sind deutlich coronasicherer als in vollgestopften Bahnen –, sondern vor allem mit dem Material, das aus Fernost benötigt wird. Die Hersteller dort stoßen an Kapazitätsgrenzen. Hinzu kommen Engpässe, weil zu wenige Überseecontainer fahren. Sowohl komplette Räder als auch Verschleißteile für Antrieb und Bremse werden knapp. Damit wachsen die Preise: „Ein Rad kostet inzwischen zehn bis 20 Prozent mehr als im vergangenen Jahr“, sagt May. Aussichten auf Besserung zeichnen sich nicht ab. „Für die zum ersten Quartal 2022 vorbestellten Räder müssen wir mit bis zu zwei Monaten Lieferverzögerung rechnen“, schätzt er. Für das zweite Quartal kalkuliert er mit einer Verzögerung von bis zu fünf Monaten. Lesen Sie auch In Sachsen werden die Gebrauchtwagen knapp, die Preise steigen Auch wenn May keine komplett leeren Lager befürchtet, sieht er ein Ende der Unterversorgung erst ab 2023. „Deshalb empfiehlt es sich, sein Rad regelmäßig zu pflegen, um es möglichst lange nutzen zu können“, so Mays Tipp. „Das ist im Sinne der Nachhaltigkeit ohnehin preiswerter und besser als ein Neukauf mit langer Wartezeit ohne Rad.“ Vom Mangel an Neuware profitieren die, die mit gebrauchten Vehikeln handeln. „Wegen der großen Nachfrage haben wir deutlich weniger Modelle vorrätig als sonst“, bestätigt Vincent Schütze vom Bike-Center Dresden, das für sein besonders großes Angebot an gebrauchten Rädern bekannt ist. Noch reichten für die Aufbereitung der Fahrzeuge das Reparatur- und Ersatzmaterial, aber auch das sei endlich. Smartphones: Leere Regalflächen bei Branchenriesen: Noch in der vergangenen Woche hatten Deutschlands größte Elektronikhändler Media Markt und Saturn betont: „Derzeit haben wir keine Lieferengpässe. In unseren Märkten und Lagern ist ausreichend Ware vorhanden.“ Ein aktueller Blick in die Filialen der Branchenriesen sorgt für ein Update: Einige Reihen der diebstahlgesicherten Halterungen für Smartphones beispielsweise im Media Markt am Brühl in Leipzig sind unbestückt. Nur ein paar Meter weiter, im Saturn am Hauptbahnhof, ist der Mangel in der Auslage nicht ganz so augenfällig, trotzdem bestätigt ein Mitarbeiter: „Die Lage hat sich deutlich verschärft, die Engpässe sind stark spürbar, das betrifft alle Hersteller.“ Ein Zustand, der erwartet worden war, denn im Vorfeld hatten Lieferanten auch den Großkunden bereits signalisiert, dass es in den kommenden Monaten zu Schwierigkeiten kommen könnte. Das betrifft nicht nur die Chips, sondern weitere Bauteile. Lesen Sie auch Smishing: Wie Sie sich vor der neuen SMS-Betrugsmasche schützen Wie in anderen Branchen liegen coronabedingte Probleme bei Produzenten – zumeist in Fernost – sowie in den Logistikketten dahinter. Jochen Cramer, Einkaufsleiter der Verbundgruppe ElectronicPartner, ist überzeugt davon, dass „die Situation noch unbestimmte Zeit andauern wird und sich aufs Weihnachtsgeschäft auswirkt“. Auch könne es passieren, dass Hersteller bestätigte Produkte kurzfristig absagen, da ein Vorlieferant benötigte Teile nicht liefern konnte. Betroffen sind Notebooks und Smartphones ebenso wie Fernseher oder Haushaltsgeräte. Bis die Situation sich entspannt, kann es noch Jahre dauern, befürchten Fachleute. Die Lieferkrise könnte allerdings auch ein Umdenken befördern: das Besinnen auf nachhaltige, reparierbare Smartphones, bei denen einzelne Verschleißteile wie Akku, USB-C-Anschluss, Lautsprecher oder Kamera leicht ersetzt und selbst eingebaut werden können. Die vierte Generation des in den Niederlanden hergestellten Fairphones soll das erste Smartphone sein, durch das kein zusätzlicher Elektronikmüll entsteht. Auch in Deutschland wird eine nachhaltige Alternative gebaut; es nennt sich Shiftphone. Von Mark Daniel, Kerstin Decker und Klaus Staeubert
Die Unterbrechung von Lieferketten infolge der weltweiten Corona-Pandemie hat auch in Sachsen heftige Auswirkungen auf die Wirtschaft – und das bis in die kleinste Werkstatt. Auch Unternehmer in und um die Stadt Leipzig suchen nach Lösungen, um mit dem Mangel zurechtzukommen. Druckereien: Papierknappheit „erinnert ein bisschen an DDR-Zeiten“: Es ist schon verrückt: Im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung wird auf einmal ausgerechnet Papier zur Mangelware und zu einem äußerst begehrten und teuren Material. „So was habe ich noch nicht erlebt“, sagt René Fritsch, „das ist total verrückt und erinnert ein bisschen an DDR-Zeiten.“ Der 54-Jährige ist Geschäftsführer der Fritsch Druck GmbH, der größten noch in Leipzig verbliebenen Druckerei. Durch die Corona-Lockdowns waren ohnehin schon reihenweise Aufträge weggebrochen. Den Umsatzeinbruch beziffert er auf mehr als 30 Prozent. Das 1990 gegründete Leipziger Unternehmen beschäftigt 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und produziert aktuell nur noch in Zwenkau (Kreis Leipzig). Seinen Druckstandort in der Heiterblickstraße in Leipzig hat Fritsch erst mal weitestgehend aufgegeben. Jetzt, da immer mehr Kunden zurückkommen, ist die Branche mit einem völlig neuen Problem konfrontiert. Dienstleister, die im sogenannten Streckengeschäft die Druckereien direkt von der Papierfabrik bedienen, haben inzwischen Lieferzeiten nicht selten von drei Monaten. Dabei ist diese Art von Geschäft gerade bei Firmen, die größere Mengen bestellen, schon deshalb Standard, weil sie die Kosten für die Zwischenhändler sparen. „Dadurch war für uns das Papier deutlich billiger“, erklärt Fritsch. „Deshalb waren wir immer bestrebt, so viele Streckengeschäfte wie möglich zu machen – also Bedarfe zu bündeln, drei, vier Standardsorten zu ordern und erst wenn das Papier zur Neige geht, nachzubestellen.“ Diese Kette, die bislang reibungslos lief, ist nun unterbrochen. „Das ist dem Kunden schwer zu vermitteln“, so Fritsch. „Wir haben ja den Anspruch, schnellste Druckerei zu sein. Im Prinzip können wir innerhalb von 24 Stunden liefern.“ Die Zwischenhändler verlangen nicht nur die ohnehin höheren Preise. „Sie haben weiter angezogen und setzen Energieaufschläge noch unangekündigt drauf.“ Sogar bereits bestelltes Papier werde so noch einmal teurer. „150 Euro pro Tonne. Das ist für uns relevant“, sagt der Druckerei-Chef. Oft habe er längerfristige Verträge mit seinen Auftraggebern geschlossen. „Wenn da keine Preisgleitklausel enthalten ist“, sagt er, „dann hast du ein richtiges Problem. Ich müsste dann Aufträge produzieren, die deutlich ins Minus laufen.“ Nach den Worte von Fritsch hilft man sich in der Branche jetzt untereinander. Größere Druckereien stellen kleineren, die oft nur A2-Formate drucken, ihre Restposten zur Verfügung. Fritsch: „Wenn ich 500 Bogen A1 über habe, kann ich damit eigentlich nichts mehr anfangen. Aber für die sind das 1000 Bogen, das ist schon was.“ Sieht er Anzeichen für eine Entspannung. „Nein, im Gegenteil“, sagt der Leipziger Druckerei-Chef. „Es wird noch schlimmer.“ So sei beispielsweise in Norwegen kürzlich eine große Papierfabrik außer Betrieb gegangen. „Die stellen um auf Verpackungskarton, das bringt noch mehr Marge.“ Handwerk: Es dauert – und es kostet: „Ich brauch’ mal schnell...“ – wer gerade einen Handwerker sucht, dürfte sich die Augen reiben. Es dauert – und es kostet. Statt „nächste Woche“ wird der Auftrag vielleicht erst „nächstes Jahr“ ausgeführt. Laut einer Umfrage des Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) waren Ende August drei von vier befragten Betrieben von Lieferschwierigkeiten bei bestimmten Materialien betroffen, 84 Prozent der befragten Firmen mussten Aufträge verschieben oder stornieren. Unterdessen explodieren die Preise für Rohstoffe, Vorprodukte und Waren. Das Holzhandwerk war Anfang des Jahres mit als erste Branche betroffen. Zuerst wurde Bauholz knapp, dann auch Spanplatten und Sperrholzplatten. Parallel dazu stiegen die Preise auf Rekordniveau. „Für Konstruktionsvollhölzer wurden im vergangenen Winter noch 450 bis 490 Euro pro Kubikmeter verlangt. Dann kletterte der Preis bis auf 1000 Euro pro Kubikmeter. Jetzt entwickelt er sich wieder rückläufig und liegt bei 530 bis 550 Euro pro Kubikmeter“, berichtet Ralf Peukert, Zimmermann und Holzbauer aus Albrechtshain im Kreis Leipzig. Bis zum Sommer war das ein großes Thema. Mittlerweile komme man wieder an Material heran, auch kurzfristig. Viele Dinge sind für die aktuelle Situation verantwortlich. „Während Corona gingen etliche Firmen in Kurzarbeit. Die Sägewerke und Holzhändler suchten sich neue Abnehmer auf dem internationalen Markt. Jetzt sind sie an die Verträge gebunden und müssen liefern“, sagt Jens Mantke aus Taucha (Kreis Nordsachsen), Obermeister der Innung Holzhandwerk. Drastisch steigende Energiepreise machen allen zu schaffen, besonders Betrieben mit hohem Energieverbrauch wie Dachziegel- oder Glasherstellern. Auch Fachkräftemangel ist ein Thema – er führt dazu, dass Handwerksbetriebe ihre Kapazitäten reduzieren und nur noch kleine Aufträge ausführen. Knappheit herrscht nach wie vor bei Dämmstoffen wie Styropor zum Verkleiden von Hausfassaden. Im Sanitärhandwerk fehlen Kunststoff-Rohre, im Elektrohandwerk Kabel. Stahlprodukte aller Art, darunter auch Schrauben, Nägel, Beschläge, Schlösser oder Scharniere, haben sich verteuert. Auf bestimmte Sicherheitsgläser wartet der Glaser nicht mehr eine Woche, sondern vier bis sieben Wochen, bei gleichzeitiger Preissteigerung um 25 Prozent. „Der Kunde wundert sich, dass die Angebote vom letzten Jahr nicht mehr gültig sind“, sagt Arnd Steyer, Obermeister der Glaserinnung. Doch der Handwerksbetrieb müsse den Energie- und Spritpreisanstieg an die Kunden weitergeben. „Deshalb empfehlen wir eine Preisgleitklausel“, sagt Andrea Wolter von der Handwerkskammer zu Leipzig. Das bedeutet: Der Kunde muss mit ran, wenn die Preise deutlich nach oben gehen, damit der Handwerksbetrieb nicht auf den Mehrkosten sitzenbleibt. 63 Prozent der befragten Betriebe schätzen laut ZDH-Umfrage ein, dass sie aufgrund der Preissprünge nicht zuverlässig kalkulieren und damit letztlich nicht wirtschaftlich arbeiten können. Fahrräder: Flexibilität ist nötig – oder Geduld: Mindestens eine von zwei Eigenschaften muss derzeit die Kundschaft von Fahrradhändlern mitbringen: Flexibilität oder Geduld. Dazu zwingt die derzeitige Lieferkrise. „Wenn das gewünschte Modell nicht da ist, bietet sich das Umschwenken auf ein anderes, vorhandenes an – oder man wird eine Weile warten müssen“, sagt Gerd May, Chef des Bike Department Ost in Leipzig. Seit dem ersten Corona-Lockdown wirkt sich die Krise auf die Fahrrad-Branche besonders deutlich und besonders unterschiedlich aus. Erst herrschte Stillstand, dann kam der Ansturm, und nun regiert der Engpass. Der hat inzwischen weniger mit den Folgen enormer Nachfrage zu tun – Wege auf dem Rad sind deutlich coronasicherer als in vollgestopften Bahnen –, sondern vor allem mit dem Material, das aus Fernost benötigt wird. Die Hersteller dort stoßen an Kapazitätsgrenzen. Hinzu kommen Engpässe, weil zu wenige Überseecontainer fahren. Sowohl komplette Räder als auch Verschleißteile für Antrieb und Bremse werden knapp. Damit wachsen die Preise: „Ein Rad kostet inzwischen zehn bis 20 Prozent mehr als im vergangenen Jahr“, sagt May. Aussichten auf Besserung zeichnen sich nicht ab. „Für die zum ersten Quartal 2022 vorbestellten Räder müssen wir mit bis zu zwei Monaten Lieferverzögerung rechnen“, schätzt er. Für das zweite Quartal kalkuliert er mit einer Verzögerung von bis zu fünf Monaten. Lesen Sie auch In Sachsen werden die Gebrauchtwagen knapp, die Preise steigen Auch wenn May keine komplett leeren Lager befürchtet, sieht er ein Ende der Unterversorgung erst ab 2023. „Deshalb empfiehlt es sich, sein Rad regelmäßig zu pflegen, um es möglichst lange nutzen zu können“, so Mays Tipp. „Das ist im Sinne der Nachhaltigkeit ohnehin preiswerter und besser als ein Neukauf mit langer Wartezeit ohne Rad.“ Vom Mangel an Neuware profitieren die, die mit gebrauchten Vehikeln handeln. „Wegen der großen Nachfrage haben wir deutlich weniger Modelle vorrätig als sonst“, bestätigt Vincent Schütze vom Bike-Center Dresden, das für sein besonders großes Angebot an gebrauchten Rädern bekannt ist. Noch reichten für die Aufbereitung der Fahrzeuge das Reparatur- und Ersatzmaterial, aber auch das sei endlich. Smartphones: Leere Regalflächen bei Branchenriesen: Noch in der vergangenen Woche hatten Deutschlands größte Elektronikhändler Media Markt und Saturn betont: „Derzeit haben wir keine Lieferengpässe. In unseren Märkten und Lagern ist ausreichend Ware vorhanden.“ Ein aktueller Blick in die Filialen der Branchenriesen sorgt für ein Update: Einige Reihen der diebstahlgesicherten Halterungen für Smartphones beispielsweise im Media Markt am Brühl in Leipzig sind unbestückt. Nur ein paar Meter weiter, im Saturn am Hauptbahnhof, ist der Mangel in der Auslage nicht ganz so augenfällig, trotzdem bestätigt ein Mitarbeiter: „Die Lage hat sich deutlich verschärft, die Engpässe sind stark spürbar, das betrifft alle Hersteller.“ Ein Zustand, der erwartet worden war, denn im Vorfeld hatten Lieferanten auch den Großkunden bereits signalisiert, dass es in den kommenden Monaten zu Schwierigkeiten kommen könnte. Das betrifft nicht nur die Chips, sondern weitere Bauteile. Lesen Sie auch Smishing: Wie Sie sich vor der neuen SMS-Betrugsmasche schützen Wie in anderen Branchen liegen coronabedingte Probleme bei Produzenten – zumeist in Fernost – sowie in den Logistikketten dahinter. Jochen Cramer, Einkaufsleiter der Verbundgruppe ElectronicPartner, ist überzeugt davon, dass „die Situation noch unbestimmte Zeit andauern wird und sich aufs Weihnachtsgeschäft auswirkt“. Auch könne es passieren, dass Hersteller bestätigte Produkte kurzfristig absagen, da ein Vorlieferant benötigte Teile nicht liefern konnte. Betroffen sind Notebooks und Smartphones ebenso wie Fernseher oder Haushaltsgeräte. Bis die Situation sich entspannt, kann es noch Jahre dauern, befürchten Fachleute. Die Lieferkrise könnte allerdings auch ein Umdenken befördern: das Besinnen auf nachhaltige, reparierbare Smartphones, bei denen einzelne Verschleißteile wie Akku, USB-C-Anschluss, Lautsprecher oder Kamera leicht ersetzt und selbst eingebaut werden können. Die vierte Generation des in den Niederlanden hergestellten Fairphones soll das erste Smartphone sein, durch das kein zusätzlicher Elektronikmüll entsteht. Auch in Deutschland wird eine nachhaltige Alternative gebaut; es nennt sich Shiftphone. Von Mark Daniel, Kerstin Decker und Klaus Staeubert