XX Kulturnetzwerk Landkreis Leipzig gegründet: So soll die Zusammenarbeit funktionieren
Von wegen nix los im flachen Land: „Der Landkreis Leipzig ist sehr gut aufgestellt, was Kunst und Kultur betrifft“, sagt Martina Jacobi vom Schweizerhaus Püchau aus Machern. Ihr Verein gründete das XX Kulturnetzwerk Landkreis Leipzig und sucht Mitstreiter. So soll die Zusammenarbeit funktionieren.
Wickelvase, Quetschtopf oder ein japanisches Kurinuku-Gefäß? Nach vielen Corona-Monaten ohne gemeinsames Töpfern schrieben junge und alte Menschen an Martina Jacobi: „Wir wollen gerne mal wieder was machen!“ Die Chefin des Vereins Schweizerhaus Püchau entwickelte daraufhin einen dreimonatigen Kurs zum Töpfern einer Vase, wobei viel allein gearbeitet wurde, aber man sich zwischendurch auch mal kurz mit Mundschutz sah. Die Teilnehmer waren zwischen sieben und 75 Jahre alt und machten begeistert mit. „Kunsthandwerk aus der Ferne in Pandemie-Zeiten ist schwierig“, sagt die Vereinsvorsitzende. Dabei sei es doch so wichtig: „Mit den Händen etwas Schönes zu schaffen – das braucht man für ein gutes Leben genauso wie das Soziale und Kommunikation.“ Der Landkreis Leipzig habe in dieser Hinsicht viel zu bieten. Die Schwierigkeit: „Die Region ist riesig. Wir haben so viele Vereine, die sich mit Kunst und Kultur beschäftigen – aber man kennt sich zu wenig. Wir brauchen bessere Strukturen.“ Bisher sind fünf Vereine dabei: Diese Erkenntnis war der Startschuss, das XX Kulturnetzwerk Landkreis Leipzig zu gründen. Dabei sind bislang fünf Vereine: neben dem Schweizerhaus das Künstlergut Prösitz, die Villa Klug in Dehnitz, die Kunstgruppe 9 in Thallwitz und das Kulturkino Zwenkau. Zwei weitere haben sich gemeldet. Wunsch der Initiatorinnen, zu denen auch Leonore Kasper vom Schweizerhaus-Verein gehört, ist, dass möglichst viele auf www.xxkulturnetzwerk.org klicken und sich dort kostenfrei anmelden. „Es geht darum sichtbarer zu werden, zu zeigen, was gibt es in der Region, was machen die Leute“, sagt Leonore Kasper. Das habe auch mit Anerkennung zu tun, die mitunter im ländlichen Raum fehlt: „Da heißt es schnell: Dort wird nur gebastelt.“ Eine wesentliche Idee ist, Projekte gemeinsam zu realisieren, aber auch sich Ressourcen zu teilen. Gemeinsam Räume und Technik nutzen: So könnten zum Beispiel gemeinsam Räume genutzt werden. Das Kulturkino in Zwenkau hat einen großen Saal, andere Gruppen nicht mal ein Zimmer. Auch mit Technik wolle man sich gegenseitig helfen. Praktikanten könnten gemeinsam eingesetzt werden. Der Verein Schweizerhaus Püchau wurde 2010 gegründet. Er hat heute anderthalb Festangestellte und arbeitet mit zwölf Freischaffenden zusammen, hinzu kommen Ehrenamtler. Nach der langen Zwangspause durch die Pandemie beginnt jetzt die Arbeit wieder. Das betrifft die Kurse, die im Laden in Wurzen, Wenceslaigasse 22, angeboten werden: Naturwerkstatt und offenes Atelier. Auch im Krimskrams Materiallager darf wieder gestöbert werden. Doch vor allem ist der Verein mit seinen Projekten, Workshops und Seminaren mobil in den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen unterwegs – mit darstellender und bildender Kunst sowie Kunsthandwerk. Dazu zählen Zirkuspädagogik, Hörspiel, Film-, Druck- und Buchwerkstatt, Theater, Rap-Projekt, Stempellabor, Keramikkurs, Schmuckgestaltung, Lehmhüttenbau, Steinmetzen, Farblabor und Stofffärberei. Seit Jahren arbeitet der Verein intensiv mit Schulen zusammen. In Wurzen kreierten Jugendliche zum Beispiel einen Audio-Stadtspaziergang mit ihren Lieblingsplätzen, schrieben Sagen über ihre Heimatstadt und bemalten große Banner. „Für die Vereine ist zudem der Austausch wichtig. Zu sehen, dass andere die gleichen Probleme haben und wie sie damit umgehen, kann helfen. Es geht aber auch um ganz praktische Fragen: Habt ihr diese Töpferscheibe gekauft oder die andere?“, meint Martina Jacobi. Vereine und Interessenten ansprechen: Die beiden Frauen haben keine Sorge, dass es unübersichtlich werden könnte, wenn zu viele Vereine dabei sind. Zahlreiche Akteure mit vielen Kontakten sind gut für ein Netzwerk. Zum Überblick sollen alle auf einer Karte gezeigt werden. Sicher werde nicht jeder mit jedem zusammen arbeiten, es werden sich bestimmte Interessengruppen bilden. Vielfalt sei auch für Interessenten wichtig, welche auf der Seite nach Kunst und Kultur in ihrer Region suchen sollen. Diese wollen die Initiatorinnen neben den Vereinen ebenfalls ansprechen. Dass es dabei zu wenig Interesse gibt, glauben die beiden nicht. Mehr Akteure im Landkreis finden: „Ich denke, der Landkreis Leipzig ist im Vergleich zu anderen Regionen in Sachsen sehr gut aufgestellt, was Kunst und Kultur betrifft. Was wohl auch an seiner Nähe zur Großstadt liegt. Und die Angebote werden genutzt“, meint die Vereinschefin. Das Projekt XX Kulturnetzwerk wird über das Programm LandKultur vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung gefördert. Begeistert vom neuen Netzwerk und von Anfang an dabei sind die Akteure vom Kulturkino Zwenkau. Derzeit arbeite der Verein bei seinen Projekten noch viel mit Honorarkräften aus der nahen Großstadt Leipzig zusammen, „weil wir so wenige Kontakte in den Landkreis haben“, sagt Swantje Nölke, eine von zwei Festangestellten der Kulturinitiative. Das soll sich ändern. Filmwerkstatt Wurzen in Zwenkau: Sie hofft, über das Netzwerk freie Künstlerinnen und Grafiker aus dem ländlichen Raum kennenzulernen und gemeinsame Projekte zu starten. Die erste Idee sei schon da: So soll es eine Art Messe mit parallelen Programmen an unterschiedlichen Orten geben und danach alle Akteure zusammen kommen. Ihrer Meinung nach müsse auch nicht alles zweimal erfunden werden: „Wenn es eine Filmwerkstatt in Wurzen gibt, dann kann sie auch bei uns in Zwenkau stattfinden.“ Kunst räumlich verbreiten: Das sieht Ute Hartwig-Schulz vom Künstlergut Prösitz ebenso: Kunst und Kultur in all ihrer Verschiedenartigkeit räumlich weit zu verbreiten sei das Anliegen des XX Netzwerkes. Dass dies über Online-Kontakte gut funktioniert, weiß sie aus Erfahrung. So schaffte es die Straßengalerie Mutzschen des Künstlergutes bundesweit zur kleinen Berühmtheit im Netz: Anderswo haben Menschen ein ähnliches Projekt nach diesem Vorbild erfolgreich auf die Beine gestellt. Wesentlich für die Bildhauerin ist aber ebenso sich gegenseitig kennenzulernen und sich auszutauschen. Sie freut sich darauf: Denn der Anfang von etwas Neuem habe immer einen ganz besonderen Reiz. Hybrid-Projekt in Thallwitz: Wie digitale und persönliche Treffen in Kombination gut funktionieren, damit beschäftigt sich ein neues mit Fördergeldern unterstütztes Hybrid-Modellprojekt des Schweizerhauses Püchau gemeinsam mit der Gemeinde Thallwitz. Dabei geht es darum herauszufinden, welche digitalen Möglichkeiten am besten für die Vermittlung von Präsenz-Kursen verwendet werden können. Beispiel: Eine Lehrerin sucht für ihre Klasse ein bestimmtes Kreativangebot. Was ist interessant für ihre Schüler? Wo schaut sie nach? Wen spricht sie an? Dazu werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene befragt. Ziel sei, digitale Kompetenzen zu stärken und künftig passgenauere Angebote vor Ort machen zu können. Von Claudia Carell
Wickelvase, Quetschtopf oder ein japanisches Kurinuku-Gefäß? Nach vielen Corona-Monaten ohne gemeinsames Töpfern schrieben junge und alte Menschen an Martina Jacobi: „Wir wollen gerne mal wieder was machen!“ Die Chefin des Vereins Schweizerhaus Püchau entwickelte daraufhin einen dreimonatigen Kurs zum Töpfern einer Vase, wobei viel allein gearbeitet wurde, aber man sich zwischendurch auch mal kurz mit Mundschutz sah. Die Teilnehmer waren zwischen sieben und 75 Jahre alt und machten begeistert mit. „Kunsthandwerk aus der Ferne in Pandemie-Zeiten ist schwierig“, sagt die Vereinsvorsitzende. Dabei sei es doch so wichtig: „Mit den Händen etwas Schönes zu schaffen – das braucht man für ein gutes Leben genauso wie das Soziale und Kommunikation.“ Der Landkreis Leipzig habe in dieser Hinsicht viel zu bieten. Die Schwierigkeit: „Die Region ist riesig. Wir haben so viele Vereine, die sich mit Kunst und Kultur beschäftigen – aber man kennt sich zu wenig. Wir brauchen bessere Strukturen.“ Bisher sind fünf Vereine dabei: Diese Erkenntnis war der Startschuss, das XX Kulturnetzwerk Landkreis Leipzig zu gründen. Dabei sind bislang fünf Vereine: neben dem Schweizerhaus das Künstlergut Prösitz, die Villa Klug in Dehnitz, die Kunstgruppe 9 in Thallwitz und das Kulturkino Zwenkau. Zwei weitere haben sich gemeldet. Wunsch der Initiatorinnen, zu denen auch Leonore Kasper vom Schweizerhaus-Verein gehört, ist, dass möglichst viele auf www.xxkulturnetzwerk.org klicken und sich dort kostenfrei anmelden. „Es geht darum sichtbarer zu werden, zu zeigen, was gibt es in der Region, was machen die Leute“, sagt Leonore Kasper. Das habe auch mit Anerkennung zu tun, die mitunter im ländlichen Raum fehlt: „Da heißt es schnell: Dort wird nur gebastelt.“ Eine wesentliche Idee ist, Projekte gemeinsam zu realisieren, aber auch sich Ressourcen zu teilen. Gemeinsam Räume und Technik nutzen: So könnten zum Beispiel gemeinsam Räume genutzt werden. Das Kulturkino in Zwenkau hat einen großen Saal, andere Gruppen nicht mal ein Zimmer. Auch mit Technik wolle man sich gegenseitig helfen. Praktikanten könnten gemeinsam eingesetzt werden. Der Verein Schweizerhaus Püchau wurde 2010 gegründet. Er hat heute anderthalb Festangestellte und arbeitet mit zwölf Freischaffenden zusammen, hinzu kommen Ehrenamtler. Nach der langen Zwangspause durch die Pandemie beginnt jetzt die Arbeit wieder. Das betrifft die Kurse, die im Laden in Wurzen, Wenceslaigasse 22, angeboten werden: Naturwerkstatt und offenes Atelier. Auch im Krimskrams Materiallager darf wieder gestöbert werden. Doch vor allem ist der Verein mit seinen Projekten, Workshops und Seminaren mobil in den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen unterwegs – mit darstellender und bildender Kunst sowie Kunsthandwerk. Dazu zählen Zirkuspädagogik, Hörspiel, Film-, Druck- und Buchwerkstatt, Theater, Rap-Projekt, Stempellabor, Keramikkurs, Schmuckgestaltung, Lehmhüttenbau, Steinmetzen, Farblabor und Stofffärberei. Seit Jahren arbeitet der Verein intensiv mit Schulen zusammen. In Wurzen kreierten Jugendliche zum Beispiel einen Audio-Stadtspaziergang mit ihren Lieblingsplätzen, schrieben Sagen über ihre Heimatstadt und bemalten große Banner. „Für die Vereine ist zudem der Austausch wichtig. Zu sehen, dass andere die gleichen Probleme haben und wie sie damit umgehen, kann helfen. Es geht aber auch um ganz praktische Fragen: Habt ihr diese Töpferscheibe gekauft oder die andere?“, meint Martina Jacobi. Vereine und Interessenten ansprechen: Die beiden Frauen haben keine Sorge, dass es unübersichtlich werden könnte, wenn zu viele Vereine dabei sind. Zahlreiche Akteure mit vielen Kontakten sind gut für ein Netzwerk. Zum Überblick sollen alle auf einer Karte gezeigt werden. Sicher werde nicht jeder mit jedem zusammen arbeiten, es werden sich bestimmte Interessengruppen bilden. Vielfalt sei auch für Interessenten wichtig, welche auf der Seite nach Kunst und Kultur in ihrer Region suchen sollen. Diese wollen die Initiatorinnen neben den Vereinen ebenfalls ansprechen. Dass es dabei zu wenig Interesse gibt, glauben die beiden nicht. Mehr Akteure im Landkreis finden: „Ich denke, der Landkreis Leipzig ist im Vergleich zu anderen Regionen in Sachsen sehr gut aufgestellt, was Kunst und Kultur betrifft. Was wohl auch an seiner Nähe zur Großstadt liegt. Und die Angebote werden genutzt“, meint die Vereinschefin. Das Projekt XX Kulturnetzwerk wird über das Programm LandKultur vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung gefördert. Begeistert vom neuen Netzwerk und von Anfang an dabei sind die Akteure vom Kulturkino Zwenkau. Derzeit arbeite der Verein bei seinen Projekten noch viel mit Honorarkräften aus der nahen Großstadt Leipzig zusammen, „weil wir so wenige Kontakte in den Landkreis haben“, sagt Swantje Nölke, eine von zwei Festangestellten der Kulturinitiative. Das soll sich ändern. Filmwerkstatt Wurzen in Zwenkau: Sie hofft, über das Netzwerk freie Künstlerinnen und Grafiker aus dem ländlichen Raum kennenzulernen und gemeinsame Projekte zu starten. Die erste Idee sei schon da: So soll es eine Art Messe mit parallelen Programmen an unterschiedlichen Orten geben und danach alle Akteure zusammen kommen. Ihrer Meinung nach müsse auch nicht alles zweimal erfunden werden: „Wenn es eine Filmwerkstatt in Wurzen gibt, dann kann sie auch bei uns in Zwenkau stattfinden.“ Kunst räumlich verbreiten: Das sieht Ute Hartwig-Schulz vom Künstlergut Prösitz ebenso: Kunst und Kultur in all ihrer Verschiedenartigkeit räumlich weit zu verbreiten sei das Anliegen des XX Netzwerkes. Dass dies über Online-Kontakte gut funktioniert, weiß sie aus Erfahrung. So schaffte es die Straßengalerie Mutzschen des Künstlergutes bundesweit zur kleinen Berühmtheit im Netz: Anderswo haben Menschen ein ähnliches Projekt nach diesem Vorbild erfolgreich auf die Beine gestellt. Wesentlich für die Bildhauerin ist aber ebenso sich gegenseitig kennenzulernen und sich auszutauschen. Sie freut sich darauf: Denn der Anfang von etwas Neuem habe immer einen ganz besonderen Reiz. Hybrid-Projekt in Thallwitz: Wie digitale und persönliche Treffen in Kombination gut funktionieren, damit beschäftigt sich ein neues mit Fördergeldern unterstütztes Hybrid-Modellprojekt des Schweizerhauses Püchau gemeinsam mit der Gemeinde Thallwitz. Dabei geht es darum herauszufinden, welche digitalen Möglichkeiten am besten für die Vermittlung von Präsenz-Kursen verwendet werden können. Beispiel: Eine Lehrerin sucht für ihre Klasse ein bestimmtes Kreativangebot. Was ist interessant für ihre Schüler? Wo schaut sie nach? Wen spricht sie an? Dazu werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene befragt. Ziel sei, digitale Kompetenzen zu stärken und künftig passgenauere Angebote vor Ort machen zu können. Von Claudia Carell