Wärme gewinnen aus dem Zwenkauer Seewasser – technisch möglich
Einen Tagebausee als natürliche Wärmequelle nutzen? Die Idee ist nicht neu, wohl aber die Technologie. Nach einem Jahr Forschungsarbeit am Zwenkauer See zeigt eine jetzt vorgelegte Studie, wie das machbar ist. Sorgen bereitet den Experten allerdings noch die für den Wärmetransport erforderliche Infrastruktur.
Können die Seen im Leipziger Südraum als Wärmequelle für die Beheizung von Wohnungen oder gar für Prozesse in Industriebetrieben genutzt werden? Eine von der Metropolregion Mitteldeutschland in Auftrag gegebene Studie, in der die Potenziale der Seethermie am Beispiel des Zwenkauer Sees untersucht wurden, gibt Antworten auf diese Frage.
Ein Jahr lang hat ein aus sechs spezialisierten Instituten und Firmen bestehendes Konsortium das Gewässer mit Messsonden untersucht, Temperaturen in unterschiedlichen Jahreszeiten und Tiefen bis zu 50 Metern analysiert und mögliche Auswirkungen des Wärmeentzugs auf den See berechnet. Für Bernd Felgentreff, der mit seiner Leipziger Firma Technische Beratung für Systemtechnik am Projekt beteiligt ist, sind die Ergebnisse richtungsweisend. „Das hier untersuchte System ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch genehmigungsfähig. Wir haben also einen funktionierenden Baustein auf dem Weg zu einer CO2-freien Wärmeversorgung“, ist er überzeugt.
Wärme aus eiskaltem Wasser
Grundlage des Systems ist ein im vergangenen Jahr mit dem sächsischen Zukunftspreis „eku“ ausgezeichnetes Verfahren, das vom Institut für Luft- und Kältetechnik Dresden (ILK) entwickelt wurde. Bei der „Vakuum-Flüssigeis-Technologie“ wird Seewasser in relativ geringen Mengen entnommen und diesem in einem Flüssigeiserzeuger Wärme entzogen. Während diese zur Nutzung zur Verfügung steht, wird das dabei entstandene Flüssigeis in den See zurückgeführt.
„Mit dieser Technologie lassen sich aus 0 Grad kaltem Seewasser 12 Grad Wärme gewinnen“, veranschaulicht Felgentreff das Ergebnis dieses Prozesses. Besonders wichtig seien im Rahmen der Untersuchungen die Auswirkungen auf den See gewesen. „Selbst wenn alle Anrainer ihren Bedarf auf diese Weise decken, würden damit nur rund 0,015 Prozent der natürlichen Regeneration des Gewässers in Anspruch genommen. Das heißt, der See kühlt sich um nicht einmal ein Grad ab“, so Felgentreff.
Pilotprojekt gesucht
Ob sich dieses Verfahren in der Praxis durchsetzen kann, hängt allerdings von anderen Faktoren ab. Um die gewonnene Wärme zum Abnehmer zu bringen, bedarf es spezieller Leitungen, die von den Fachleuten als „kalte intelligente Netze“ bezeichnet werden. Diese in bestehende Siedlungen zu verlegen, betrachtet Kersten Roselt, Geschäftsführer des projektleitenden Ingenieurbüros Jena-Geos, kritisch. „Im Bestand macht das nur Sinn, wenn ein betreffendes Gebiet ohnehin saniert wird“, schränkt er ein. Ganz anders stelle sich die Situation dar, wenn neue Wohnsiedlungen oder Gewerbegebiete in Seenähe geplant seien. „In diesem Fall zeigt die Studie, dass das System ein wichtiger Baustein bei der dezentralen Versorgung sein wird“, so Roselt.
Zuversichtlich ist auch der Auftraggeber der Studie. Johannes Ganzler, Hauptfeldmanager Energie der Metropolregion Mitteldeutschland, stellt fest: „Es hat sich gezeigt, dass das System realisierbar ist, ohne die Gewässer zu gefährden.“ Allein das Leipziger Neuseenland und andere geflutete Tagebaue besitzen demnach das Potenzial, um etwa 4 Gigawatt thermische Energie bereitzustellen. „Jetzt geht es darum, ein geeignetes Pilotprojekt zu finden“, blickt er nach vorn. Im Idealfall ein in der Nähe eines Sees geplantes Baugebiet, in dem die neuen Technologie gleich mit installiert werden kann.
Von Rainer Küster
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