„Fast aus den Latschen gekippt“ – Spendenerfolg in Zwenkau
Die Hoffnung war zunächst größer als die Erwartung. Um einen Mitarbeiter weiterbeschäftigen zu können, warb der Jugendtreff „Leuchtturm“ kurz vor Weihnachten bei den Zwenkauer Einwohnern um Spenden. Als der Clubleiter dann im Januar auf den Kontostand blickte, kippte er „fast aus den Latschen“.
Was derzeit rund um das Kinder- und Jugendfreizeitzentrum „Leuchtturm“ (JFZ) in Zwenkau geschieht, ist mit Worten kaum zu beschreiben. „Gänsehaut-Momente trifft es wohl am ehesten“, versucht Steffen Kasperski, der Leiter des Jugendclubs, die Gefühlslage zu beschreiben. Fast 3800 Euro haben Zwenkauer Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Wochen gespendet, damit Michael Renner, der seit März 2020 in der Jugendeinrichtung arbeitet, weiterbeschäftigt werden kann. „Es fühlt sich an, als wäre die ganze Stadt dafür ein Stück zusammengerückt“, sagt Kasperski, den hier alle nur „Ernie“ nennen und klopft seinem Mitarbeiter dabei stolz auf die Schulter. Michael „Michi“ Renner kann jetzt mindestens ein weiteres Jahr im JFZ arbeiten.
Ihren Anfang hat die Erfolgsgeschichte im benachbarten Waldbad. Dort arbeitete Renner im Rahmen eines Projektes für Langzeitarbeitslose. „Er fiel in jeder Hinsicht positiv auf“, erinnert sich der Leiter des Jugendtreffs. „Michi war nicht nur pünktlich, sondern immer da, zeigte viel Engagement, handwerkliches Geschick und war wegen seiner hilfsbereiten Art sehr beliebt.“ Oft habe er nach Feierabend sogar noch im JFZ ausgeholfen und handwerkliche Arbeiten erledigt.
Mit neuer Fassade ein kleines Denkmal gesetzt
Als das Projekt im Zwenkauer Bad endete, wollte Kasperski den 34-Jährigen gar nicht erst aus den Augen verlieren. Kurzerhand habe er Renner ins Jugendzentrum eingeladen und ihn gefragt, ob er hier weiterarbeiten wolle. Renner ließ sich nicht zweimal bitten. „Ich hatte ja inzwischen schon erste Erfahrungen gesammelt, kannte die Situation, das Umfeld und die Herausforderungen“, erzählt er. Als alleinerziehender Vater einer 15-jährigen Tochter seien ihm die Erwartungen von Heranwachsenden zudem nicht fremd.
„Nachdem wir jede Menge Formulare und Anträge ausgefüllt hatten, kam dann im Frühjahr 2020 die Zusage“, erinnert sich Renner. Als Integrationsmaßnahme für Langzeitarbeitslose über fünf Jahre angelegt, bezuschusst das Jobcenter des Landkreises Leipzig die Personalkosten in den ersten zwei Jahren komplett und danach mit jeweils zehn Prozent weniger bis zu 70 Prozent im fünften Jahr. Für Renner der Beginn einer neuen Lebensetappe – und ein Gewinn für den Jugendtreff. „Nicht nur mit der neuen Fassade des Gebäudes hat er sich ein kleines Denkmal gesetzt“, freut sich Club-Chef Kasperski. „Auch zu den Kids und Jugendlichen findet er einen guten Draht.“ In der „Ära Renner“ hat sogar ein Phänomen Einzug gehalten, das selbst Kasperski vorher für nahezu unmöglich hielt. „Hier sitzen jetzt Jugendliche aller Altersgruppen um den Tisch und spielen Gesellschaftsspiele“, staunt er. „Der Michi“ sei ein begnadeter Motivator für diese Alternative zum digitalen Zocken und verfüge über die Gabe, selbst komplizierte Spielregeln einfach und verständlich zu erklären.
Mehr als 3000 Euro innerhalb von vier Wochen
Aber dann nahte das Ende der Komplettförderung durch das Jobcenter. Die fehlenden zehn Prozent kann der Trägerverein nicht aufbringen, eine Weiterbeschäftigung Renners schien nahezu aussichtslos. Ein Freund habe dann die zündende Idee gehabt, berichtet Sozialpädagoge Kasperski. „Wir haben den Jugendclub ausgemessen und Anfang Dezember jeden Quadratmeter für eine Spenden-Patenschaft ausgeschrieben“, schildert der 32-Jährige. Allzu groß sei die Erwartung nicht gewesen, gibt er zu, „aber als ich im Januar aus dem Urlaub kam und einen Blick auf das Spendenkonto warf, bin ich fast aus den Latschen gekippt“.
Weit über 3000 Euro hatten die Zwenkauer innerhalb von nur vier Wochen für die Weiterbeschäftigung von Renner gespendet. „Inzwischen sind es 3757 Euro“, betont Kasperski, der zugleich ein „Riesen-Dankeschön“ an die bislang rund 40 Zwenkauer Spenderinnen und Spender richtet. Mindestens ein weiteres Jahr könne „der Michi“ damit weiterbeschäftigt werden. „Vielleicht kriegen wir die anderen zwei Jahre auch noch hin“, hoffen Kasperski und die Kids vom Club auf weitere Spenden. Auch Renner blickt zuversichtlich nach vorn und hat Pläne. Er will sich jetzt zum Sozialassistenten qualifizieren.
Von Rainer Küster