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Kleindalzig geht gemeinsam durch dick und dünn


Noch während die Rauchsäulen aus dem völlig zerstörten Haus stiegen, heizten die Nachbarn den Grill an und planten bei Bratwürsten und Bier eine Hilfsaktion. So etwas sei nur in Kleindalzig möglich, sagen die Landfrauen des Ortes, dessen Einwohner als verschworener Haufen gemeinsam durch dick und dünn gehen.
In Kleindalzig ist wirklich alles irgendwie etwas kleiner. Aber genau das ist es, was das Leben der 53 Einwohner so besonders macht. Hier, am Ufer des Mühlgrabens, lebt eine Dorfgemeinschaft, wie man sie fast nur noch aus romantischen Erzählungen kennt. Und es wird längst nicht nur gefeiert. Als im vergangenen Jahr ein Feuer das Haus der Kunerts vollständig vernichtete, rückte das Dorf noch enger zusammen. Die treibende Kraft hinter diesem außergewöhnlichen Zusammenhalt sind die „Landfrauen“ des Dorfes. „So haben wir vor einigen Jahren unsere WhatsApp-Gruppe genannt, mit der wir uns gegenseitig auf dem Laufenden halten“, erzählt Heike Fucke. Zwar sei das Dorf schon vorher „ein verschworener Haufen“ gewesen, aber seitdem habe dieser auch einen Namen. Im Pavillon werden die Dorffeste ausgeheckt: Heute treffen sich die Landfrauen unter dem Dach des rustikalen Pavillons von Heike Fucke. Den hat ihr die Dorfgemeinschaft vor zwei Jahren als Geburtstagsgeschenk errichtet. „Hier hecken wir unsere Dorffeste aus“, berichtet Christina Bergmann mit einem Lächeln und meint damit nicht nur das traditionelle Kleindalziger Teichfest. „Wir organisieren Events, bei denen jeder mal dran ist. Das Osterfeuer findet bei Fuckes statt, das Sommerkino und das Oktoberfest bei Kunerts oder der Weihnachtsglühwein im Gewächshaus bei Bergmanns.“ Auch für die Zeiten dazwischen finde sich immer was. „Wenn Geburtstage, Hochzeiten oder andere Familienfeiern anstehen, gibt es immer ein Programm vom ganzen Dorf“, schildert Pamela Kunert, die erst 2010 in den beschaulichen Ort zog und sich sofort aufgenommen fühlte. „Hier gibt es keine Vereine. Wir sind der Verein“, hat die Lehrerin festgestellt. Männer treffen sich „irgendwie anders“: Ihre Männer würden auch manchmal an den Runden teilnehmen, bestätigt Christina Bergmann. „Aber nicht so oft. Männer treffen sich irgendwie anders.“ Dann lachen die Landfrauen, als Heike Fucke in die Runde wirft: „So wie letztens, als die Kühe ausgerissen waren.“ Die Herren der Schöpfung hätten beim Einfangen geholfen – und als danach wie aus dem Nichts ein Bierkasten auftauchte, wäre niemand nach Hause gegangen. „Wer weiß, was sie da wieder ausgeheckt haben“, sinniert Fucke und denkt laut an den Tag, als Michael Weiß in einer ähnlich spontanen Runde die Idee von der Ansiedlung eines Storchenpaares auf dem alten Schornstein der Gärtnerei hatte. „Da war gleich das ganze Dorf Feuer und Flamme“, schwärmt Heike Fucke. Alle hätten an der Vorbereitung des Horstes mitgewirkt, Michael Weiß habe ihn sogar registrieren lassen. Allein ein Storch wollte in den ersten Jahren nicht kommen. Aber die Geduld trug letztendlich Früchte – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Jetzt, da sich tatsächlich das erste Storchenpärchen in Kleindalzig ansiedelte, erwartet Familie Weiß Nachwuchs. In wenigen Tagen wird die Einwohnerzahl in Kleindalzig also auf 54 steigen – darunter sind 15 Kinder und Jugendliche. Das ist keineswegs makaber: Grillen nach Großbrand: Die Kleindalziger halten nicht nur in guten Zeiten zusammen. Als im vergangenen Jahr das Haus der Kunerts bis auf die Grundmauern abbrannte, zeigte sich, wie wichtig Solidarität vor allem in der Not ist. „Wir hatten nur noch das, was wir am Körper trugen“, erinnert sich Pamela Kunert. Sofort sei das ganze Dorf da gewesen und habe nicht nur Hilfe angeboten. „Es klingt makaber, aber noch während der Rauch aus den Trümmern stieg, haben die Nachbarn den Grill angeworfen“, erzählt sie sichtlich bewegt. Den Schock noch frisch in den Gliedern, könne sowieso niemand einen vernünftigen Gedanken fassen, hätten die anderen die Familie Kunert beruhigt. Also wurde bei Roster und Bier noch in der Nacht an Hilfsplänen geschmiedet. Die Brandwache der Feuerwehr war verblüfft. „Hier ist die Bude abgefackelt und ihr grillt“, habe ein Kamerad fassungslos gesagt. Am nächsten Tag stand ein Wohnwagen auf dem Grundstück der Kunerts – „und wir hatten Kleidung, Bettwäsche, konnten kochen und uns waschen“, erzählt Pamela Kunert. Ihren Nachbarn ist sie dafür ewig dankbar. Nach diesem Rückblick wenden sich die Landfrauen wieder ihren Planungen zu. Nachwuchs bei Familie Weiß – das nächste Dorffest steht also vor der Tür. Von Rainer Küster