Brandstiftung auf Dreiseithof bei Zwenkau: Familie setzt 5000 Euro für Hinweise aus
Erst eine Drohung, dann brannte der halbe Hof von Familie Kulas ab. Die Polizei geht ein Jahr danach von Brandstiftung aus. Familie Kulas im Zwenkauer Ortsteil Rüssen-Kleinstorkwitz verlor bei dem Feuer nicht nur Erinnerungen. Auch das Vertrauen zum Dorf fiel den Flammen zum Opfer.
Die gelben Sauerstoffflaschen leuchten im Dunkeln, genau wie die Reflektoren auf den Anzügen der beiden Feuerwehrmänner. Sie klettern über einen Schuttberg, tragen einen gelben Feuerwehrschlauch zu dem Ort, wo es noch aus dem Boden qualmt. Ein Bagger schiebt Trümmer, während Wasser prasselnd Glutnester löscht. Als letzter Farbtupfer liegt ein pinkfarbener Gymnastikball zwischen verkohlten Holztrümmern, eingerissenen Mauerteilen und Stahlträgern. Es sind die Reste eines etwa 15 Meter langen Gebäudes, das in der Nacht abgebrannt ist. So zeigt es ein Video auf Youtube, das am Tag nach der Brandnacht am 5. Oktober 2023 entstand.
600 Kilometer entfernt in einem Ferienhaus in Österreich schläft Familie Kulas zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Denn Hartmut Kulas wurde kurz zuvor per Handy alarmiert. Der Feuerwehrmann sah den ersten Brandalarm seiner Zwenkauer Feuerwehr und schaltete ihn aus, immerhin hatte er Urlaub. Kurz darauf klingelt der Alarm ein zweites Mal. Und dieses Mal ist Hartmut Kulas hellwach. Denn die Nachricht auf seinem Display zeigt einen Vollbrand – an seiner Adresse zu Hause.
„Das Herz sprang mir aus der Brust“, sagt der 42-Jährige, gut ein Jahr später an seinem Esstisch, als er von dem Brand erzählt. Am Morgen nach dem Feuer packte die Familie ihre Sachen und fuhr aus dem Urlaub nach Hause. „Es war furchtbar“, sagt Heike Kulas, als sie sich an die Rückkehr erinnert. Statt des Baus, der den Hof zu einer Seite abschließt, lagen überall Holz und Schutt, über Meter verteilt. Fast die Hälfte der fünf Gebäude des 2009 gekauften Hofes waren zerstört worden. Ein Partyraum und ein Lager brannten vollständig oder teilweise ab. Den Geräteschuppen löschte die Feuerwehr noch rechtzeitig.
Das Wohnhaus der Familie im Zwenkauer Ortsteil Rüssen-Kleinstorkwitz blieb bei dem Brand verschont. Doch die beiden Kinder, damals 13 und 9, verbrachten die ersten Wochen nach dem Brand nicht zu Hause, sondern bei den Großeltern. Das Feuer hatte ihre Vögel in einer Voliere getötet.
Und mit dem Feuer verbrannten Fotos, Geschenke, Erinnerungen, Spielsachen. Stolz war Hartmut Kulas gewesen, als sie den Hof, eine alte Brüterei, mit seiner Geschichte kauften. „Uns wurde er anvertraut. Jetzt ist ein Teil nicht mehr da und das tut sehr weh“, sagt der Feuerwehrmann. Jede Feier, jeder Geburtstag, Taufen, ja Silvesterfeten mit Freunden hätten im Partyraum der Kulas‘ stattgefunden. „Die Eisenbahn, die mir mein Vater gebaut hatte, war da drin.“
Polizei ermittelt – auch in Richtung des Paares
Die Wochen nach dem Brand bewacht das Paar den Hof, schläft in unterschiedlichen Zimmern. „Bei jedem Windstoß, Lichtstrahl oder dem Bellen unserer Hunde sind wir aufgeschreckt“, erinnert sich Heike Kulas. Ihr Mann kontrolliert regelmäßig den umliegenden Wald mit seiner Wärmebildkamera, die er eigentlich für die Jagd nutzt, wie er erzählt.
Währenddessen startete die Kriminalpolizei ihre Ermittlungen. Schnell stand der Verdacht von vorsätzlicher Brandstiftung im Raum, aufgrund der gestapelten Reifen als Brandsätze und aufgrund der Graffiti. Eines davon stand schon etwa ein Jahr vor dem Brand in der Hofeinfahrt: „Ein Knöllchen noch, dann brennt‘s!“ Hartmut Kulas war zu dieser Zeit für das Zwenkauer Ordnungsamt tätig. Das zweite Graffito muss wohl in der Nacht des Brandes entstanden sein und richtete sich erneut mutmaßlich gegen Hartmut Kulas.
Nach dem Brand habe das Paar mehrere Wochen die Handys abgeben müssen, damit die Kripo sie durchsuchen konnte. „Es hätte ja auch Versicherungsbetrug sein können“, erklärt Hartmut Kulas. Drei Namen habe seine Frau der Polizei noch im Oktober 2023 gesagt. „Leute, mit denen man irgendwann mal Streit hatte.“ Im Januar seien sie verhört worden, erzählt sie. „Erst drei Monate später.“ Auch die Eltern, Geschwister und Kollegen von Hartmut Kulas habe die Polizei vernommen. „Wir wurden einzeln befragt, wir waren gläsern, haben alle Details ausgepackt“, sagt Heike Kulas. Teils herrschte Misstrauen zwischen dem Paar, das bald 25 Jahre zusammen ist.
Doch bis jetzt: Kein Erfolg, den ihnen die Polizei präsentieren konnte. Wie diese auf Anfrage mitteilte, werde sie die Akte zum Brand zeitnah der Staatsanwaltschaft übergeben, nachdem alle Ansätze ausgeschöpft und die polizeilichen Ermittlungen damit abgeschlossen seien. Derzeit laufe noch die Brandursachenermittlung. Ob dann trotzdem noch weiter ermittelt oder der Fall eingestellt wird, muss die Staatsanwaltschaft entscheiden.
„Kripo Live“ berichtet über Vorfall
Deswegen unternahm die Familie kürzlich einen weiteren Versuch. Bei der TV-Sendung „Kripo Live“ des Mitteldeutschen Rundfunks erzählte sie ihre Geschichte. Und setzte 5000 Euro Belohnung für Hinweise aus. 5000 Euro für die Auflösung des Falls, für das Wissen darum, wer es auf sie abgesehen hat, wer die Autoreifen zum Hof gefahren, sie aufgestapelt und angezündet hat. Wie Heike Kulas betont, gehe es dem Paar dabei nicht um Vergeltung. Der Job, Hobbys, die landwirtschaftliche Arbeit, so sagt die 39-Jährige, alles laufe wie früher. „Aber ohne ein gutes Gefühl dabei.“ Doch auch die Sendung brachte laut Polizei keine neuen Hinweise. Mittlerweile ist der TV-Beitrag offline.
Eine Zeit lang waren sie sogar überzeugt, von hier wegzuziehen, alles hinter sich zu lassen. Vielleicht nach Österreich, ihrem zweiten Zuhause. Doch die Kinder wollten bleiben. Also blieben sie, bauten das Verlorene so gut es ging wieder auf, steckten rund 120.000 Euro hinein, bilanziert das Ehepaar. Für alles reiche das Geld der Versicherung nicht. Mittlerweile ist der Dachstuhl erneuert, das Scheunentor vor dem Geräteschuppen leuchtet frisch lackiert, darüber hängen noch die dunkelgrauen Rußschleier in der weißen Mauerfarbe.
Familie hat sich zurückgezogen
Was über ein Jahr später bleibt, ist Misstrauen. Misstrauen der Tochter in ihr Zuhause. „Sie geht bis heute nicht alleine ins obere Stockwerk“, sagt ihre Mutter. Heike Kulas hingegen hat kein Vertrauen mehr in die Ermittlungen der Polizei. Sie möchte über einen Anwalt Akteneinsicht bekommen. Und Hartmut Kulas vertraut nicht mehr auf sein Umfeld, auf das Dorf, dessen Feste er immer besuchte. Der Wehrleiter habe den Vater ermutigt, beim Bierausschank zu helfen. So, wie er es früher immer gemacht hatte. „Ich kann das einfach nicht mehr“, sagt er. „Was ist, wenn mir der Täter ins Gesicht grinst, während ich ihn bediene?“
Plötzlich dröhnt und heult ein Handy im Flur auf. Hartmut Kulas springt vom Esstisch auf. „Das ist mein Alarm der Feuerwehr, es gab einen Unfall“, erklärt er, verabschiedet sich schnell. Auch Heike Kulas springt auf, schaut nach, wo ihre Kinder sind. Denn der Unfall ist direkt auf der B2, nur wenige Meter von ihrer Hofeinfahrt entfernt, passiert. Dann Entwarnung, alle sind in Sicherheit. Sie legt sich die Hand auf die Brust, atmet tief aus, schließt kurz die Augen. „Mir läuft es kalt herunter. In solchen Momenten kommt alles wieder hoch“, sagt sie leise.