Bäckermeister Jens Hennig: „Deutsche Brotvielfalt sollte Weltkulturerbe werden“
Brot-Sommelier Jens Hennig erklärt im LVZ-Interview, warum Deutschland Brotland Nummer 1 ist und wie sich ein Laib fachmännisch verkosten lässt. Außerdem verrät er, welche Fehler bei der Lagerung unbedingt vermieden werden sollten.
Jens Hennig ist Geschäftsführer von der Kette „Backhaus Hennig“ und ausgebildeter Brot-Sommelier. Zum „Tag des Deutschen Brotes“ am 21. April teilt er im LVZ-Interview sein Wissen über das Lebensmittel Nummer 1 der Deutschen – dabei wagt er eine Prognose, ob das Brot überhaupt eine Zukunft hat. Herr Hennig, wie oft essen Sie Brot? Bei mir gibt es jeden Tag Brot, natürlich habe ich meine Lieblingssorten. Als Inhaber der Bäckerei bin ich natürlich dazu angehalten, die Qualität der Backwaren zu kontrollieren. Sehr oft kommt bei uns zum Abendessen Brot auf den Tisch, am Wochenende dann auch frische Brötchen zum Frühstück. Und wie genießen Sie Ihre Scheiben? Zum Beispiel mit einer frischen hausgeschlachteten Wurst vom Metzger im Nachbardorf oder einem frischen Stück Käse. Brot lässt sich sehr vielfältig genießen, natürlich auch mit süßen Aufstrichen. Jens Hennig, geboren 1962, ist ausgebildeter Bäckermeister und Brot-Sommelier. Im Jahr 1913 gründete sein Vater Martin Hennig das gleichnamige Backhaus, seit 1991 ist Jens Hennig Geschäftsführer. Das Unternehmen mit Sitz in Zwenkau beschäftigt 950 Mitarbeiter und betreibt 77 Filialen – auch in Leipzig. Sie sagten, Sie haben eine Lieblingssorte. Die wäre? Mein absoluter Favorit ist unsere Zwenkauer Kruste. Es ist ein schön kräftig ausgebackenes Brot mit einem leichten Vollkornanteil und Ruchmehl. Aktuell gehört auch unser deutsches Brot des Jahres dazu: Es handelt sich um ein Dreikornbrot mit Dinkel, Roggen und Hafer. Dinkel erfährt übrigens gerade einen Hype. Ansonsten kombiniere ich Brote mit Speisen – unser Dinkel-Wurzelbrot mit Oliven zu einem Hirtenkäse ist etwas ganz Feines. Ist das nicht langweilig, immer nur Brot zu essen? In vielen Ländern werden schließlich zweimal am Tag warme Speisen verzehrt. Es hängt immer davon ab, wie das Brot kombiniert wird. Da es so viele Möglichkeiten gibt, kann es gar nicht langweilig werden. In Deutschland haben wir über 3200 verschiedene Brotsorten, die viele regionale Spezialitäten beinhalten. Ebenso passt Brot zu Suppen – auch Burger lassen sich mit Brot genießen, um es wie ein Amerikaner zu sehen. „Wir versuchen, dass die deutsche Brotvielfalt Unesco Weltkulturerbe wird“: Wie werden diese Brotsorten erfasst? Es gibt das Deutsche Brotregister, in dem kann jeder Bäcker, der eine Brotsorte entwickelt oder eine regionale Spezialität wiederaufleben lässt, Eintragungen vornehmen lassen. Diese Zahl bedeutet nicht, dass es 3200 gänzlich verschiedene Brote gibt. Sicherlich finden sich darunter Brote, die ähnlich schmecken, aber in Nuancen unterschiedlich sind. Deutschland ist weltweit das Brotland Nummer eins. Wir versuchen, dass die Brotvielfalt zum Unesco Weltkulturerbe erkoren wird. Sie sagen, dass Deutschland „Brotland Nummer eins“ ist. Woher kommt diese besondere Beziehung der Deutschen zum Brot? Das hat drei Gründe. Erstens: Als es in Deutschland noch Kleinstaaten gab, existierten an den Grenzen Zölle. Daher blieben die Brote häufig in den entsprechenden Kleinstaaten. Grund Nummer zwei: Es gibt eine regionale Unterschiedlichkeit beim Anbau der Getreidesorten. ...das heißt? Im Norden wird dunkler gegessen, im Süden hingegen heller mit einem höheren Weizenanteil. Schwaben ist das deutsche Hauptanbaugebiet für Dinkel. Diese regionalen Differenzierungen haben eine Brotvielfalt hervorgebracht. Drittens spielt auch die besondere Ausbildung in Deutschland eine Rolle. In vielen Handwerksbetrieben werden neue Spezialisten ausgebildet, die in der Lage sind, ein Brot zu entwickeln. Lassen Sie mich noch einen vierten Punkt anführen: Die Deutschen sind ein sehr reiselustiges Volk. Wenn wir Bäcker in der Welt unterwegs sind und eine Spezialität entdecken, ich denke etwa an italienisches Ciabatta oder französisches Baguette, dann importieren wir die Rezepte. Es gibt also noch andere Länder mit Brotkompetenz? Natürlich. Zum Beispiel Südtirol mit sehr schönen und ausgefallenen Broten. Österreich und die Schweiz gehören ebenso dazu, aber auch die französische Brotkultur. Welche unorthodoxen Varianten sind bei Ihnen schon entstanden? Aktuell verkaufen wir zum Beispiel unser Kurkuma-Brot. Varianten mit roter Beete oder Bärlauch sind ebenfalls im Sortiment. Das klingt noch bodenständig. Wo liegen für Sie die Grenzen der Kreativität? Fisch würde ich in einem Brot ablehnen. (lacht) Sonst sind die Möglichkeiten riesig: Schon jetzt werden diverse Früchte getrocknet und in Broten verarbeitet, auch frische Früchte finden Verwendung. „Die Menschen sind durchaus experimentierfreudig“: Sind die Menschen überhaupt experimentierfreudig? Kommt an das klassische Roggen-Misch-Brot etwas heran? Allein, weil sich das Essverhalten der Menschen ändert, sind die Menschen offen. Klar, das Roggenmischbrot macht auch bei uns mit 30 Prozent den Großteil in der Herstellung aus. Mittlerweile ist auch unser Dinkel-Roggenlaib genauso stark. Das zeigt mir, dass die Menschen durchaus experimentierfreudig sind. Wo hört die Experimentierfreude der Kundinnen und Kunden auf? Bei den exotischen Sorten. Das betrifft Brote mit sehr hohem Vollkornanteil, wir backen auch gerade ein Brot ohne Weizenmehl. Da greifen Menschen zu, die eine entsprechende Ernährungsform gewählt haben. Die Allgemeinheit bevorzugt gängige Sorten, die sich gut bestreichen lassen, eine lange Frischhaltung aufweisen und sich in den Alltag integrieren lassen – etwa als Pausenbrot. Stichwort Frischhaltung: Wie bewahre ich Brot am besten auf? Ein Weißbrot sollte in einem atmungsaktiven Behältnis gelagert werden – in einer Tüte etwa. Dort hält es zwei bis drei Tage frisch. Ein kräftig ausgebackenes Brot, wie etwa ein Mischbrot, muss so aufbewahrt werden, dass es nicht schimmelt und austrocknet, damit es eine Woche lang gut gegessen werden kann. Das geht mit unserer grünen Brottüte oder der besten Aufbewahrungsmöglichkeit: einem Brottopf. Eine Folientüte lässt sich nur einmal verwenden, beim nächsten Mal finden sich Spuren vom vorhergehenden Brot, sie begünstigen eine Schimmelbildung. „Als Brotsommelier probiere ich das Brot im Ganzen“: Herr Hennig, Sie sind Brotsommelier, das klingt zugegebenermaßen unorthodox. Was verbirgt sich hinter der Bezeichnung? Es gibt etwa 150 Brotsommeliers in Deutschland, der Schweiz und in Südtirol. Wir verstehen uns als Botschafter des guten Brotgeschmacks. Wir kennen uns mit der Historie des Brotes und mit regionalen Spezialitäten aus. Für mich das Wichtigste: Wir sind in der Lage, verschiedenen Brotgeschmäcker mit anderen Lebensmitteln zu kombinieren. Was machen Sie als Sommelier konkret? Im Unternehmen bin ich derjenige, der sensorisch prüft, ob die Brote, die in den Verkauf gehen sollen, unseren Vorstellungen entsprechen. Unseren Mitarbeitern und Kunden geben wir Empfehlungen, welches Brot sich mit anderen Lebensmitteln kombinieren lässt, damit ein Genusserlebnis entsteht. Stellen wir uns vor, vor Ihnen liegt ein frisches Brot. Wie nähern Sie sich dem an, als Brotsommelier? Zunächst wird das Brot von Außen begutachtet. Also wie es aussieht, welche Farbe es hat, ob es Risse gibt. Danach rieche ich am Brot, um herauszufinden, welche Aromen sich wahrnehmen lassen. Häufig sind das Karamell, aber auch nussige und Raucharomen. Anschließend wird das Brot durchgeschnitten, die Grube wird beobachtet. Ist das Brot im Innenleben eher grau, ist von einem höheren Roggenanteil auszugehen. Geht es in eine gelbliche Farbe, gibt es einen höheren Weizenanteil. Im Anschluss wird noch einmal gerochen, beispielsweise ob es spezielle Gewürze gibt. Als Brotsommelier probiere ich das Brot immer im Ganzen, also Krume und Kruste gemeinsam. Abschließend mache ich mir ein Bild, womit ich das Brot am liebsten kombinieren würde. „Ein ordentliches Handwerksbrot schlägt ein Industriebrot“: Woran erkenne ich denn ein gutes Brot? Es sollte aus dem Natursauerteig hergestellt werden. Das sorgt für eine lange Frischhaltung und ein ausgewogenes Aroma von Milch- und Essigsäure. Ich bin ein großer Freund von einem kräftig ausgebackenem Brot mit Kruste, weil es länger frisch hält und in der Kruste die meisten Aromen stecken. Am Ende erkenne ich das Brot natürlich am Geschmack. Ein ordentliches Handwerksbrot schlägt sicherlich ein Industriebrot. Wobei nicht alle Brote aus industrieller Herstellung automatisch schlecht sind. Braucht es denn überhaupt noch das klassische Backhandwerk, wenn es Brot auch im Discounter gibt? Unbedingt! Allein schon durch die Vielfalt, die wir als Handwerksbäcker bieten können, samt der regionalen Spezialitäten. Da können Großhändler und Discounter nicht mithalten. Woher kommen Ihre Zutaten? Wir beziehen die meisten aus der Region, so auch das Getreide. Viel mehr braucht ein gutes Brot gar nicht: Mehl, Wasser, Hefe, Salz und viel Zeit. Wir versuchen alle Produkte von regionalen Lieferanten zu beziehen – seien es Butter, Milch oder unser Mehl, bald auch das Dinkelmehl. Blicken wir 50 Jahre in die Zukunft. Was ist vom Brot noch übrig geblieben? Ein gelockertes Sauerteigbrot gibt es seit 7000 Jahren hier in Deutschland. Da sind 50 Jahre ein kurzer Zeitraum. Darum bin ich mir sicher, dass sich die Menschen in 50, 100 und 200 Jahren genauso von Brot ernähren werden. Einfach, weil es ein Genuss ist. Lesen Sie auch Zu Besuch in der Backstube von Bäcker Lotzmann Von Florian Reinke
Jens Hennig ist Geschäftsführer von der Kette „Backhaus Hennig“ und ausgebildeter Brot-Sommelier. Zum „Tag des Deutschen Brotes“ am 21. April teilt er im LVZ-Interview sein Wissen über das Lebensmittel Nummer 1 der Deutschen – dabei wagt er eine Prognose, ob das Brot überhaupt eine Zukunft hat. Herr Hennig, wie oft essen Sie Brot? Bei mir gibt es jeden Tag Brot, natürlich habe ich meine Lieblingssorten. Als Inhaber der Bäckerei bin ich natürlich dazu angehalten, die Qualität der Backwaren zu kontrollieren. Sehr oft kommt bei uns zum Abendessen Brot auf den Tisch, am Wochenende dann auch frische Brötchen zum Frühstück. Und wie genießen Sie Ihre Scheiben? Zum Beispiel mit einer frischen hausgeschlachteten Wurst vom Metzger im Nachbardorf oder einem frischen Stück Käse. Brot lässt sich sehr vielfältig genießen, natürlich auch mit süßen Aufstrichen. Jens Hennig, geboren 1962, ist ausgebildeter Bäckermeister und Brot-Sommelier. Im Jahr 1913 gründete sein Vater Martin Hennig das gleichnamige Backhaus, seit 1991 ist Jens Hennig Geschäftsführer. Das Unternehmen mit Sitz in Zwenkau beschäftigt 950 Mitarbeiter und betreibt 77 Filialen – auch in Leipzig. Sie sagten, Sie haben eine Lieblingssorte. Die wäre? Mein absoluter Favorit ist unsere Zwenkauer Kruste. Es ist ein schön kräftig ausgebackenes Brot mit einem leichten Vollkornanteil und Ruchmehl. Aktuell gehört auch unser deutsches Brot des Jahres dazu: Es handelt sich um ein Dreikornbrot mit Dinkel, Roggen und Hafer. Dinkel erfährt übrigens gerade einen Hype. Ansonsten kombiniere ich Brote mit Speisen – unser Dinkel-Wurzelbrot mit Oliven zu einem Hirtenkäse ist etwas ganz Feines. Ist das nicht langweilig, immer nur Brot zu essen? In vielen Ländern werden schließlich zweimal am Tag warme Speisen verzehrt. Es hängt immer davon ab, wie das Brot kombiniert wird. Da es so viele Möglichkeiten gibt, kann es gar nicht langweilig werden. In Deutschland haben wir über 3200 verschiedene Brotsorten, die viele regionale Spezialitäten beinhalten. Ebenso passt Brot zu Suppen – auch Burger lassen sich mit Brot genießen, um es wie ein Amerikaner zu sehen. „Wir versuchen, dass die deutsche Brotvielfalt Unesco Weltkulturerbe wird“: Wie werden diese Brotsorten erfasst? Es gibt das Deutsche Brotregister, in dem kann jeder Bäcker, der eine Brotsorte entwickelt oder eine regionale Spezialität wiederaufleben lässt, Eintragungen vornehmen lassen. Diese Zahl bedeutet nicht, dass es 3200 gänzlich verschiedene Brote gibt. Sicherlich finden sich darunter Brote, die ähnlich schmecken, aber in Nuancen unterschiedlich sind. Deutschland ist weltweit das Brotland Nummer eins. Wir versuchen, dass die Brotvielfalt zum Unesco Weltkulturerbe erkoren wird. Sie sagen, dass Deutschland „Brotland Nummer eins“ ist. Woher kommt diese besondere Beziehung der Deutschen zum Brot? Das hat drei Gründe. Erstens: Als es in Deutschland noch Kleinstaaten gab, existierten an den Grenzen Zölle. Daher blieben die Brote häufig in den entsprechenden Kleinstaaten. Grund Nummer zwei: Es gibt eine regionale Unterschiedlichkeit beim Anbau der Getreidesorten. ...das heißt? Im Norden wird dunkler gegessen, im Süden hingegen heller mit einem höheren Weizenanteil. Schwaben ist das deutsche Hauptanbaugebiet für Dinkel. Diese regionalen Differenzierungen haben eine Brotvielfalt hervorgebracht. Drittens spielt auch die besondere Ausbildung in Deutschland eine Rolle. In vielen Handwerksbetrieben werden neue Spezialisten ausgebildet, die in der Lage sind, ein Brot zu entwickeln. Lassen Sie mich noch einen vierten Punkt anführen: Die Deutschen sind ein sehr reiselustiges Volk. Wenn wir Bäcker in der Welt unterwegs sind und eine Spezialität entdecken, ich denke etwa an italienisches Ciabatta oder französisches Baguette, dann importieren wir die Rezepte. Es gibt also noch andere Länder mit Brotkompetenz? Natürlich. Zum Beispiel Südtirol mit sehr schönen und ausgefallenen Broten. Österreich und die Schweiz gehören ebenso dazu, aber auch die französische Brotkultur. Welche unorthodoxen Varianten sind bei Ihnen schon entstanden? Aktuell verkaufen wir zum Beispiel unser Kurkuma-Brot. Varianten mit roter Beete oder Bärlauch sind ebenfalls im Sortiment. Das klingt noch bodenständig. Wo liegen für Sie die Grenzen der Kreativität? Fisch würde ich in einem Brot ablehnen. (lacht) Sonst sind die Möglichkeiten riesig: Schon jetzt werden diverse Früchte getrocknet und in Broten verarbeitet, auch frische Früchte finden Verwendung. „Die Menschen sind durchaus experimentierfreudig“: Sind die Menschen überhaupt experimentierfreudig? Kommt an das klassische Roggen-Misch-Brot etwas heran? Allein, weil sich das Essverhalten der Menschen ändert, sind die Menschen offen. Klar, das Roggenmischbrot macht auch bei uns mit 30 Prozent den Großteil in der Herstellung aus. Mittlerweile ist auch unser Dinkel-Roggenlaib genauso stark. Das zeigt mir, dass die Menschen durchaus experimentierfreudig sind. Wo hört die Experimentierfreude der Kundinnen und Kunden auf? Bei den exotischen Sorten. Das betrifft Brote mit sehr hohem Vollkornanteil, wir backen auch gerade ein Brot ohne Weizenmehl. Da greifen Menschen zu, die eine entsprechende Ernährungsform gewählt haben. Die Allgemeinheit bevorzugt gängige Sorten, die sich gut bestreichen lassen, eine lange Frischhaltung aufweisen und sich in den Alltag integrieren lassen – etwa als Pausenbrot. Stichwort Frischhaltung: Wie bewahre ich Brot am besten auf? Ein Weißbrot sollte in einem atmungsaktiven Behältnis gelagert werden – in einer Tüte etwa. Dort hält es zwei bis drei Tage frisch. Ein kräftig ausgebackenes Brot, wie etwa ein Mischbrot, muss so aufbewahrt werden, dass es nicht schimmelt und austrocknet, damit es eine Woche lang gut gegessen werden kann. Das geht mit unserer grünen Brottüte oder der besten Aufbewahrungsmöglichkeit: einem Brottopf. Eine Folientüte lässt sich nur einmal verwenden, beim nächsten Mal finden sich Spuren vom vorhergehenden Brot, sie begünstigen eine Schimmelbildung. „Als Brotsommelier probiere ich das Brot im Ganzen“: Herr Hennig, Sie sind Brotsommelier, das klingt zugegebenermaßen unorthodox. Was verbirgt sich hinter der Bezeichnung? Es gibt etwa 150 Brotsommeliers in Deutschland, der Schweiz und in Südtirol. Wir verstehen uns als Botschafter des guten Brotgeschmacks. Wir kennen uns mit der Historie des Brotes und mit regionalen Spezialitäten aus. Für mich das Wichtigste: Wir sind in der Lage, verschiedenen Brotgeschmäcker mit anderen Lebensmitteln zu kombinieren. Was machen Sie als Sommelier konkret? Im Unternehmen bin ich derjenige, der sensorisch prüft, ob die Brote, die in den Verkauf gehen sollen, unseren Vorstellungen entsprechen. Unseren Mitarbeitern und Kunden geben wir Empfehlungen, welches Brot sich mit anderen Lebensmitteln kombinieren lässt, damit ein Genusserlebnis entsteht. Stellen wir uns vor, vor Ihnen liegt ein frisches Brot. Wie nähern Sie sich dem an, als Brotsommelier? Zunächst wird das Brot von Außen begutachtet. Also wie es aussieht, welche Farbe es hat, ob es Risse gibt. Danach rieche ich am Brot, um herauszufinden, welche Aromen sich wahrnehmen lassen. Häufig sind das Karamell, aber auch nussige und Raucharomen. Anschließend wird das Brot durchgeschnitten, die Grube wird beobachtet. Ist das Brot im Innenleben eher grau, ist von einem höheren Roggenanteil auszugehen. Geht es in eine gelbliche Farbe, gibt es einen höheren Weizenanteil. Im Anschluss wird noch einmal gerochen, beispielsweise ob es spezielle Gewürze gibt. Als Brotsommelier probiere ich das Brot immer im Ganzen, also Krume und Kruste gemeinsam. Abschließend mache ich mir ein Bild, womit ich das Brot am liebsten kombinieren würde. „Ein ordentliches Handwerksbrot schlägt ein Industriebrot“: Woran erkenne ich denn ein gutes Brot? Es sollte aus dem Natursauerteig hergestellt werden. Das sorgt für eine lange Frischhaltung und ein ausgewogenes Aroma von Milch- und Essigsäure. Ich bin ein großer Freund von einem kräftig ausgebackenem Brot mit Kruste, weil es länger frisch hält und in der Kruste die meisten Aromen stecken. Am Ende erkenne ich das Brot natürlich am Geschmack. Ein ordentliches Handwerksbrot schlägt sicherlich ein Industriebrot. Wobei nicht alle Brote aus industrieller Herstellung automatisch schlecht sind. Braucht es denn überhaupt noch das klassische Backhandwerk, wenn es Brot auch im Discounter gibt? Unbedingt! Allein schon durch die Vielfalt, die wir als Handwerksbäcker bieten können, samt der regionalen Spezialitäten. Da können Großhändler und Discounter nicht mithalten. Woher kommen Ihre Zutaten? Wir beziehen die meisten aus der Region, so auch das Getreide. Viel mehr braucht ein gutes Brot gar nicht: Mehl, Wasser, Hefe, Salz und viel Zeit. Wir versuchen alle Produkte von regionalen Lieferanten zu beziehen – seien es Butter, Milch oder unser Mehl, bald auch das Dinkelmehl. Blicken wir 50 Jahre in die Zukunft. Was ist vom Brot noch übrig geblieben? Ein gelockertes Sauerteigbrot gibt es seit 7000 Jahren hier in Deutschland. Da sind 50 Jahre ein kurzer Zeitraum. Darum bin ich mir sicher, dass sich die Menschen in 50, 100 und 200 Jahren genauso von Brot ernähren werden. Einfach, weil es ein Genuss ist. Lesen Sie auch Zu Besuch in der Backstube von Bäcker Lotzmann Von Florian Reinke