"Damals war's" - Eythra und Bösdorf werden wieder lebendig
Über 700 Ehemalige beim 4. Wiedersehenstreffen der beiden Tagebau-Dörfer in der Stadthalle Zwenkau
Von Ulrike Witt
Zwenkau. "Hallo, wie geht´s Dir denn? Was macht die Familie?" So begannen am Samstagnachmittag beim vierten Wiedersehenstreffen der ehemaligen Eythraer und Bösdorfer die meisten Gespräche. Der Lärmpegel in der Stadthalle Zwenkau war bei über 700 Gästen beachtlich. Rund 30 Jahre, nachdem die beiden Dörfer dem Tagebau Zwenkau geopfert wurden - der letzte Bösdorfer verließ 1982 sein Haus, der letzte Eythraer 1986 -, haben sich die einstigen Nachbarn noch immer viel zu erzählen. Freude, bisweilen aber auch Wehmut, stand in den Gesichtern.
Gerhard Winter, der Vorsitzende der IG Eythra-Bösdorf, die seit elf Jahren gemeinsam mit dem Heimatverein Zwenkau die Treffen organisiert, freute sich über eine gelungene Premiere. Erstmals wurde unter dem Motto "Damals wars" das Leben in Eythra und Bösdorf, einst zusammen rund 4500 Einwohner, nachgestellt. "Meine Frau Elfriede hatte im November die Idee, die Bilder unserer Heimatkalender mit Leben zu füllen und bis zur letzten Minute heute daran gearbeitet", erklärte Gerhard Winter. Über 70 Ehemalige machten mit, schlüpften in historische Kleider und brachten Utensilien aus dem Dorfalltag mit.
"Das ist meine alte Klassenlehrerin Hannelore Henschke", sagte Katja Wagner vor einer Fotowand zu ihrem Mann Alexander. Sie besuchte bis zur Schulschließung 1986 die POS "Hans Franke" in Eythra. Genau wie Nadja Rolke und Claudia Poetsch, die ihre Pionierblusen und Schulranzen aus dem Keller geholt hatten. "Zum Schluss, als wir schon nach Grünau umgezogen waren, wurden wir jeden Tag mit dem Taxi in die Schule gefahren", verriet Rolke.
Das Handwerk präsentierten Peter Freiberg und Rolf Dose in Fleischer- und Bäckerkluft, "Die Heimat ist verloren, der Schmerz bleibt", gestand der 73-jährige Freiberg. Anders sein zwei Jahre älterer "Kollege": "Wir haben, wie viele Eythraer, in Knautnaundorf gebaut, dort eine neue Heimat gefunden und heute den Zwenkauer See vor der Tür. Damit kann man doch gut leben."
Ein Stück Konsum-Geschichte wurde mit Luzia Gottwald wach. Die 78-Jährige hat in Bösdorf gewohnt und in Eythra im Konsum gearbeitet. Mit weiteren fünf ehemaligen Verkäuferinnen stand sie mit Schürze und Häubchen in der Stadthalle, vor sich China-Handtücher, Malimo-Küchenkalender, Dederon-Einkaufsnetze und geblümte Beutel. "Das ist alles original DDR-Ware, genau wie die Lebensmittel, Rotkäppchen-Sekt, Wurzener Erdnuss-Flips und die Alu-Chips", sagte Gottwald schmunzelnd.
Nicht mit ihrer Heimat untergegangen sind die "Montagskegler" der BSG Motor Eythra. Die acht Damen, die heute in Zwenkau, Knauthain, Lausen und Grünau leben, treffen sich vierteljährlich in Miltitz, um ihrem Hobby zu frönen. Am Samstag schwelgten sie ganz sportlich in Erinnerungen. Marita Sydlik, mit 75 Jahren die Älteste der munteren Truppe, meinte: "Man hätte den Zwenkauer eigentlich Eythraer See nennen müssen. Schließlich ist unser Dorf dafür von der Landkarte verschwunden."
Das nächste Wiedersehenstreffen soll, so Winter gestern, wahrscheinlich in drei Jahren in Zwenkau stattfinden.
LVZ v.8.9.2015