Siedlungsreste aus der Spätbronzezeit entdeckt
Vorbereitung für die A72: Grabungsleiterin Yvonne Heine freut sich über komplett erhaltene Nadel und Sporen aus der Slawenzeit
Von Ulrike Witt
Zwenkau/Böhlen. Seit Monaten graben sich Archäologen in Vorbereitung des A72-Baus entlang der B2/95 Stück für Stück durch die Erde. Nahe der Abfahrt Zwenkau haben sie jetzt auf rund 2000 Quadratmetern die Reste einer Siedlung der späten Bronzezeit sowie einer slawischen Siedlung entdeckt. Für Fachleute etwas ganz Besonderes.
Der Verkehr an der Ausgrabungsstelle, keine 20 Meter von der Bundesstraße entfernt, ist ohrenbetäubend. Grabungsleiterin Yvonne Heine und ihre sechs Mitarbeiter stört das nicht. "Für so eine schöne, reiche Fundstelle nimmt man den Lärm gern in Kauf", sagt die 43-Jährige. Dass es hier was zu holen gibt, habe sich schon im April/Mai bei den Voruntersuchungen abgezeichnet.
"Im Grunde war das zu erwarten", sagt Heine, "der Leipziger Raum war schon früh dicht besiedelt, damit aus archäologischer Sicht sehr interessant." Allerdings sei das Gebiet im Zuge des Braunkohletagebaus und der Umverlegung der Pleiße in den 1970er Jahren mehrfach überarbeitet worden. "Zu DDR-Zeiten wurde im Vorfeld der Tagebauerschließung nicht immer alles untersucht. Wir müssen leider davon ausgehen, dass einiges verloren gegangen ist, es sich hier nur um Restflächen der Siedlungen handelt", so Heine.
Aber auch die sind überaus ergiebig, wie die über 1000 kleinen und größeren Fundstücke belegen, die seit Juni bei drückender Hitze und zuletzt auch Regen aus 122 sogenannten Befunden oder Gruben in mühevoller Kleinarbeit ausgebuddelt wurden. Wie Heine erklärt, sind 119 Befunde spätbronzezeitlicher Herkunft, datieren um 1000 vor Christus, die drei nördlich gelegenen Befunde hingegen slawischer Herkunft und somit aus dem 9. Jahrhundert nach Christus. Eine durchgehende Besiedlung habe es an dieser Stelle nicht gegeben, "für die knapp 2000 Jahre dazwischen haben wir keine Nachweise, aber das ist ganz normal", weiß die Grabungsleiterin.
Die eindrucksvollsten Fundstücke, die Heine auf einem Tisch ausgebreitet hat, sind eine Bronzenadel mit Petschaftskopf, die in der späten Bronzezeit als Ziernadel für Gewänder oder Haarschmuck gebräuchlich war, sowie ein von Reitern verwendeter Eisensporen aus der Slawenzeit. "Beides ist komplett erhalten, das ist schon sehr selten", betont Heine. Außerdem präsentiert sie Keramikteile von zwei Vorratsgefäßen sowie Reste eines Webgewichtes aus der Bronzezeit. "Das deutet alles auf eine Siedlung mit ganz typischen Vorratsgruben hin", meint die Archäologin. Weitere keramische Bruchstücke auf ihrem Tisch zieren das slawische Wellenband.
Gestern war der letzte Tag an der Ausgrabungsstelle bei Großdeuben, das Team zieht schon heute in Richtung Rötha weiter. Dort warten zwei weitere Fundstellen auf ihre Entdeckung. Die Fundstücke werden in den nächsten Wochen in der Arbeitsstelle des Landesamtes für Archäologie in der Heilemannstraße in Leipzig inventarisiert und aufgearbeitet. Danach kommen sie mit Laborergebnissen, unter anderem von Holzkohleproben, nach Dresden ins Magazin des Landesamtes. "Besondere Stücke können Interessierte vielleicht später einmal im Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz, dem ehemaligen Kaufhaus Schocken, bestaunen", sagt Heine.
LVZ v.27.8.2015