Leipziger Experte: „Wir müssen unsere Gewässer robuster machen“
Fließgewässer-Ökologe Markus Weitere vom Umweltforschungszentrum (Ufz) im LVZ-Interview über mögliche Folgen der Hitze auf Leipziger Flüsse, Seen und Bäche.
Am Hochrhein zwischen Bodensee und Basel haben die Schweizer Behörden wegen der momentanen Dürre ein massives Fischsterben festgestellt. Auch hierzulande bedrohen die hohen Temperaturen Tiere, die im und am Wasser leben. Markus Weitere, Leiter der Fließgewässer-Ökologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, Halle und Magdeburg sowie Professor an der Technischen Universität Dresden, erklärt, welche Arten besonders betroffen sind und was sich dagegen unternehmen lässt.
Welchen Fischen der Region macht die Hitze besonders zu schaffen?
Es sind wenige Arten direkt von den hohen Temperaturen bedroht, sogenannte Kaltwasserarten der Flussoberläufe, wie Äschen oder Bachforellen, sowie weitere Kleinfischarten. Gravierender können sich aber sogenannte indirekte Effekte der hohen Temperaturen auswirken: Zunächst nimmt der Sauerstoffgehalt im Wasser mit steigender Temperatur ab und kann dann für anspruchsvolle Arten nicht mehr ausreichen. Zusammen mit der verbreiteten Nährstoffbelastung der Gewässer kommt es zu einer instabilen Wasserchemie aufgrund von Algenwachstum und Sauerstoffdefiziten. Das Wasser wird basisch, und es können auch giftige Algen auftreten. Einzeln oder in Kombination können diese Faktoren zu Fischsterben führen. Sie sind aber nur der für uns sichtbare Teil der geschädigten Organismen, denn es können auch Insekten, Krebse und Weichtiere betroffen sein.
Welche Leipziger Flüssen, Seen und Bäche sehen Sie besonders in der Gefahr?
Prinzipiell sind sie alle von den hohen Temperaturen betroffen. Besonders kritisch wird es aber in vorbelasteten Gewässern, was leider den Großteil hierzulande betrifft. So kommt es unter Belastung von Nährstoffen und leicht abbaubaren Verunreinigungen zu starken Zehrungsprozessen durch die hohen Temperaturen. Auch können Tiere in chemisch belasteten Gewässern empfindlicher gegenüber Hitze sein. Ohne Schadstoffe im Wasser und wenn dazu noch angrenzende Bäume Schatten geben, macht die Erwärmung den Tieren in der Regel weniger aus.
Ab welcher Wassertemperatur wird es kritisch?
Es gibt keine starre Grenze. Ob es kritisch wird, hängt auch vom Gewässertyp ab. Ob es sich beispielsweise um einen Flussoberlauf oder -unterlauf handelt. Auch die jeweiligen Lebensgemeinschaften spielen eine Rolle. Für Fischarten in den sommerkalten Gewässern wird es ab 23 Grad Celsius kritisch, während in den Unterläufen 28 Grad toleriert werden. Über 30 Grad wird es dann für viele höhere Wasserorganismen gefährlich. Aber auch bei deutlich niedrigeren Werten können die oben genannten indirekten Effekte auftreten.
Ist eine ökologische Kettenreaktion zu befürchten?
Der Wegfall einer Art im Ökosystem hat immer Konsequenzen. So hat man zum Beispiel bei Hitzewellen Muschelsterben beobachtet. In Folge dessen kann es zu einer vermehrten Entwicklung von Algen kommen. Denn Muscheln filtrieren die Mikroalgen aus dem Gewässer und erhöhen so die Wasserqualität.
Was lässt sich dagegen tun?
Unmittelbar sind Wärmequellen zu reduzieren, zum Beispiel die Abwärme von Kraftwerken. Auch kurzfristige Maßnahmen wie künstliche Belüftung oder die Wasserumwälzung in kleinen Standgewässern können helfen. In der Schweiz hat man in einigen größeren Fließgewässern gerade die Mündungen kalter Zuflüsse ausgebaggert, um kalte Wasserpools für Fische zu schaffen. Langfristig müssen wir uns auf Hitzewellen einstellen. Wir brauchen grundlegendere Verbesserungen der Gewässerstruktur, um sie robuster gegen hohe Temperaturen zu machen. Dazu gehören durchgehende Randstreifen aus beschattenden Gehölzen und Bäumen entlang der vielen kleinen und mittelgroßen Fließgewässer sowie die Schaffung von beschatteten Rückzugsräumen in den Auen von großen Flüssen, insbesondere da, wo Grundwasser zutritt. Und wir werden uns zunehmend auf Notmaßnahmen einstellen müssen, wie sie jetzt an vielen Stellen im Land ergriffen werden.
Interview: Mathias Wöbking
Von Mathias Wöbking
LVZ vom 09.08.2018