friendica (DFRN) - Link zum Originalbeitrag

„Für uns Kinder war das eine herrliche Zeit“


50 Jahre Skisport in Zwenkau: Vom Schullanglauf zum Biathlon-Talentstützpunkt
VON ULRIKE WITT
Zwenkau. Dass Zwenkau seit 50 Jahren eine Hochburg des Wintersports, seit drei Jahren sogar Biathlon-Talentstützpunkt des sächsischen Skiverbandes ist, dürfte so manchen überraschen. Dabei sitzt mit Bürgermeister Holger Schulz ein Mann im Rathaus, der von sich selbst sagt, er sei mit Skiern geboren worden.
Kein Wunder, sein Vater Harry Schulz brachte die Leidenschaft für den Langlauf Mitte der Fünfziger nach Zwenkau mit. Bei Chemie Böhlen hatte er Patrouillenlauf, eine Frühform des heutigen Biathlon, betrieben. „Auf der Suche nach einer neuen sportlichen Heimat fand er in Rudi Kröber einen tollen Partner. Und ein Sportlehrer, der für eine Sportart brennt, ist Gold wert", sagt Holger Schulz. Die Männer gründeten die Schulsportgemeinschaft 2. Nachwuchs wurde fortan im Unterricht gesichtet, beim Training und in den Skilagern gefördert.

1965 wurden die Langläufer in die BSG Chemie Zwenkau aufgenommen. „Für uns Kinder eine herrliche Zeit: Der Zusammenhalt war riesig und die Trainingslager ein Erlebnis", erinnert sich Gunter Züfle. Auch Holger Schulz schwärmt. Beide kennen viele Geschichten: vom Brötchenholen auf Skiern, vom ungeliebten Bussard- und dem für Wettkämpfe aufgesparten West-Wachs und vom abendlichen Schneetreten und der warmen Dusche danach zur Abhärtung. 70 Mitglieder hatte die Sektion bis in die Achtzigerjahre und war trotz starker Flachlandkonkurrenz aus Böhlen, Liebertwolkwitz und Eilenburg bei Wettkämpfen erfolgreich. Holger Schulz wurde mehrfacher Kreis- und Bezirksmeister, Gabriele Kupferthaler schaffte es sogar zum Vorentscheid für Olympia.

Nach der Wende wurde es stiller. „Viele mussten sich beruflich neu orientieren", erklärt Holger Schulz. Dafür machte eine neue Gruppe von sich reden – die Skihasen. Entstanden aus Langläufern, die im Sommer die Bretter mit dem Volleyball tauschten. Gerade als die Wintersportler, nun in der SG Blau-Weiß organisiert, wieder Fahrt aufnehmen wollten, verstarb 1994 Harry Schulz. Kurzerhand übernahm der damals 30-jährige Sohn die Regie, kurbelte Training und Wettkampfbetrieb wieder an. „Bei uns ging es nicht um Leistungssport, sondern um Fitness und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für die Kinder", betont er.

Seither hat sich einiges geändert: Holger Schulz arbeitet im Rathaus, Dirk Martins ist jetzt Abteilungsleiter Ski. Der 46-Jährige ist Sportlehrer am Rudolf-Hildebrand-Gymnasium in Markkleeberg und hat mit Uwe Findeisen den Biathlon in Zwenkau etabliert. „Ein Studienfreund, der Biathlontrainer beim PSV Schwarzenberg ist, hatte uns 2009 zum Sommerlager nach Geyer eingeladen", erzählt Martins vom Neustart. Die Zwenkauer leckten Blut, und schnell stellten sich Erfolge ein. Sohn Lukas Martins lernt heute am Sportgymnasium in Oberwiesenthal, Hermine Kirmse, Tochter von Trainer Thomas Kirmse, holte erst vergangenes Wochenende einen 1. und 3. Platz in der AK 10 bei den Landesjugendspielen in Altenberg.

Trainiert wird drei Mal pro Woche, nicht mehr wie einst auf alten Kokosmatten bei den Handballern, sondern auf Kunstrasen oder mit Roll-Ski am Zwenkauer und Markkleeberger See. Sollte doch mal Schnee liegen, spurt Lothar Rabisch die Loipe für die 28 Aktiven, darunter sieben Kinder, im Eichholz-Stadion. Dort gibt es auch einen Schießstand. Sammelten die Kinder früher mit Schrott Geld fürs Winterlager, geht 2016 ohne Sponsoren nichts mehr. „Biathlon ist nicht billig", sagt Dirk Martins. Ein Luftgewehr koste 2000 Euro, fünf hat die Abteilung. Hinzu kommen Kleidung, Schuhe und Ski – rund 1000 Euro pro Biathlet.

Als Talentstützpunkt arbeiten die Zwenkauer mit dem SC DHfK Leipzig und dem Sportgymnasium in Oberwiesenthal zusammen. Geblieben sind die Trainingslager im Erzgebirge. Da ist auch Holger Schulz noch immer gern dabei.

LVZ v.30.01.2016