Familien entsetzt: Bebauungsplan am Zwenkauer See ist unwirksam
Seit Monaten drehen sich am Zwenkauer See schon die Kräne. Doch jetzt hat das sächsische Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan Harthweide für unwirksam erklärt. Viele betroffene Familien sind entsetzt. Der Projektentwickler beschwichtigt.
Das neue Wohngebiet Harthweide soll einen Übergang vom Zwenkauer See in den historischen Teil der Kleinstadt schaffen. Auf 70 Grundstücken sind nicht nur Eigenheime, sondern zum Beispiel auch eine große Kita und Genossenschaftshäuser für Senioren geplant. Nach jahrelangen Verzögerungen begannen in diesem Frühling auf über 20 Baufeldern die Arbeiten. Doch vielleicht werden sie bald wieder gestoppt. Wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) am Montag auf LVZ-Anfrage mitteilte, hat die Kammer den Bebauungsplan der Stadt Zwenkau Nummer 35 „Harthweide“ nach einer mündlichen Verhandlung „für unwirksam erklärt“. Das Urteil sei bereits am 14. Juli durch fünf Berufsrichter gefällt worden, so Gerichtssprecher Thomas Tischer. „Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.“ Die Gründe dafür würden erst noch schriftlich abgefasst und in einigen Wochen den Beteiligten zugestellt. Deshalb könne er dazu aktuell nichts sagen. Bürgermeister will keine voreiligen Schlüsse ziehen: Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht habe das Urteil nicht zugelassen. Die Beteiligten könnten dagegen aber Beschwerde einlegen, erläuterte Tischer. Ob die Stadt als Verfasser des Bebauungsplans diesen Weg geht, darüber wolle er nicht spekulieren, sagte Bürgermeister Holger Schulz (CDU). „Wir müssen uns erst genau anschauen, was in der Urteilsbegründung steht. Und dann die richtigen Schlüsse ziehen.“ Eventuell ließen sich die Mängel, die das OVG nun zu seinem Urteil bewogen hat, auf anderem Wege beheben. Lesen Sie auch Kommentar: Junge Familien stecken beim Hausbau in der Klemme Schließlich habe dasselbe Gericht bereits im Januar einen Eilantrag zum Stopp der Erschließungsarbeiten abgelehnt – und damals die Ansicht vertreten, es handle sich bei dem Vorhaben nicht um schwerwiegende Beeinträchtigungen für die Klägerseite. Schulz sagte, er hoffe, dass es nicht zu einem Baustopp kommt. Die Pläne für den Bau einer kommunalen Kita mit 141 Plätzen seien noch in der Entwurfsphase. Deshalb erwarte er keine nachteiligen Auswirkungen für dieses Acht-Millionen-Euro-Vorhaben der Stadt Zwenkau. Projektentwickler bleibt vorerst gelassen: Ähnlich klang am Montag Andreas Schmidt, Geschäftsführer der Sächsischen Seebad Zwenkau GmbH (SSZ). Dieses private Unternehmen hatte bereits das Wohngebiet am Kap Zwenkau ein Stück weiter nördlich entwickelt. Auch das neue Wohngebiet Harthweide, wo längst alle Parzellen verkauft sind, werde erfolgreich gedeihen, so Schmidt. Laut dem Bebauungsplan könnten auf diesem 14 Hektar großen Areal bis zu 140 Wohneinheiten entstehen. „Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, darf ohne Abstriche weiter gebaut werden“, betonte er. Natürlich seien die betroffenen Bauherren jetzt beunruhigt, aber es handle sich höchst wahrscheinlich um Probleme, die sich zeitnah heilen ließen. „Ich sehe das ehrlich als nicht so dramatisch.“ Bauherr: „Für uns ist dieses Urteil eine Katastrophe“: Erhebliche Ängste waren hingegen bei den betroffenen Bauherren vor Ort zu hören. „Für uns ist dieses Urteil eine Katastrophe“, erklärte Thomas Günther. Der Leipziger ist Sprecher einer Gruppe von Familien, die sich wegen immer wieder neuer Verzögerungen an der Harthweide zusammengeschlossen hat. Allein der Entwurf für den Bebauungsplan musste fünfmal öffentlich ausgelegt werden, was Jahre kostete. „Für unser Haus, das jetzt endlich im Rohbau steht, sind die Bau- und Materialkosten durch die Verzögerungen um über 100.000 Euro gestiegen“, erzählte Günther. „Es sind keine superreichen Familien, die hier bauen wollen. Ihre Kredite laufen. Die Baufirmen sind gebunden. Ein Stopp – selbst wenn er nur ein oder zwei Monate dauert – würde für viele Familien den finanziellen Ruin bringen.“ Hinzu komme, dass viele Bauherrenfamilien schon ihre Kinder in Zwenkau für die Schule oder Kita angemeldet haben – auch Familie Günther ihre beiden Töchter. Uwe Graupner, Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Böhlen, sprach ebenfalls von einer sehr schlechten Nachricht. „Das wird sicher neue Verzögerungen bringen. Wir sehen unsere Investitionen am Zwenkauer See in höchstem Maße gefährdet.“ Vor sechs Wochen begann die Genossenschaft an der Harthweide den Bau von drei Häusern mit 26 Mietwohnungen für Genossenschafter. „Das hat nichts mit Luxus zu tun. Zum größten Teil sind es seniorengerechte Wohnungen, die auch in Zwenkau dringend gebraucht werden“, sagte Graupner. Anwohner wollen Korrekturen erreichen: Vor Gericht gezogen war eine Anwohnerin aus dem Großdeubener Weg, welcher schon bei den Erschließungsarbeiten als Zufahrt diente. „Viele Anwohner wollen nicht, dass hier künftig jeden Tag 500 Autos durchfahren“, sagte ihr Lebensgefährte und Anwalt Falk Illing. In der Klage sei es unter anderem auch um Natur- und Artenschutz, den freien Zugang und die Sicht auf den See, das Gefälle und die Standsicherheit der Böschung gegangen. Es stelle sich auch die Frage, warum die Kommune nicht erst andere, innerstädtische Flächen als Baugebiete nutzbar gemacht habe. Dennoch prophezeite Illing: „Es wird hier nicht morgen einen Baustopp geben.“ Wahrscheinlich seien aber Korrekturen nötig, bevor auf weiteren Parzellen Bagger anrücken können. Selbst wenn das OVG-Urteil rechtskräftig wird, bedeute das nicht automatisch einen Baustopp. Letztlich hänge die Zukunft der Harthweide vor allem von der Urteilsbegründung und vom anschließenden Vorgehen der Klägerseite ab, über das man sich derzeit selbst noch nicht ganz schlüssig sei. Von Jens Rometsch
Das neue Wohngebiet Harthweide soll einen Übergang vom Zwenkauer See in den historischen Teil der Kleinstadt schaffen. Auf 70 Grundstücken sind nicht nur Eigenheime, sondern zum Beispiel auch eine große Kita und Genossenschaftshäuser für Senioren geplant. Nach jahrelangen Verzögerungen begannen in diesem Frühling auf über 20 Baufeldern die Arbeiten. Doch vielleicht werden sie bald wieder gestoppt. Wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) am Montag auf LVZ-Anfrage mitteilte, hat die Kammer den Bebauungsplan der Stadt Zwenkau Nummer 35 „Harthweide“ nach einer mündlichen Verhandlung „für unwirksam erklärt“. Das Urteil sei bereits am 14. Juli durch fünf Berufsrichter gefällt worden, so Gerichtssprecher Thomas Tischer. „Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.“ Die Gründe dafür würden erst noch schriftlich abgefasst und in einigen Wochen den Beteiligten zugestellt. Deshalb könne er dazu aktuell nichts sagen. Bürgermeister will keine voreiligen Schlüsse ziehen: Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht habe das Urteil nicht zugelassen. Die Beteiligten könnten dagegen aber Beschwerde einlegen, erläuterte Tischer. Ob die Stadt als Verfasser des Bebauungsplans diesen Weg geht, darüber wolle er nicht spekulieren, sagte Bürgermeister Holger Schulz (CDU). „Wir müssen uns erst genau anschauen, was in der Urteilsbegründung steht. Und dann die richtigen Schlüsse ziehen.“ Eventuell ließen sich die Mängel, die das OVG nun zu seinem Urteil bewogen hat, auf anderem Wege beheben. Lesen Sie auch Kommentar: Junge Familien stecken beim Hausbau in der Klemme Schließlich habe dasselbe Gericht bereits im Januar einen Eilantrag zum Stopp der Erschließungsarbeiten abgelehnt – und damals die Ansicht vertreten, es handle sich bei dem Vorhaben nicht um schwerwiegende Beeinträchtigungen für die Klägerseite. Schulz sagte, er hoffe, dass es nicht zu einem Baustopp kommt. Die Pläne für den Bau einer kommunalen Kita mit 141 Plätzen seien noch in der Entwurfsphase. Deshalb erwarte er keine nachteiligen Auswirkungen für dieses Acht-Millionen-Euro-Vorhaben der Stadt Zwenkau. Projektentwickler bleibt vorerst gelassen: Ähnlich klang am Montag Andreas Schmidt, Geschäftsführer der Sächsischen Seebad Zwenkau GmbH (SSZ). Dieses private Unternehmen hatte bereits das Wohngebiet am Kap Zwenkau ein Stück weiter nördlich entwickelt. Auch das neue Wohngebiet Harthweide, wo längst alle Parzellen verkauft sind, werde erfolgreich gedeihen, so Schmidt. Laut dem Bebauungsplan könnten auf diesem 14 Hektar großen Areal bis zu 140 Wohneinheiten entstehen. „Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, darf ohne Abstriche weiter gebaut werden“, betonte er. Natürlich seien die betroffenen Bauherren jetzt beunruhigt, aber es handle sich höchst wahrscheinlich um Probleme, die sich zeitnah heilen ließen. „Ich sehe das ehrlich als nicht so dramatisch.“ Bauherr: „Für uns ist dieses Urteil eine Katastrophe“: Erhebliche Ängste waren hingegen bei den betroffenen Bauherren vor Ort zu hören. „Für uns ist dieses Urteil eine Katastrophe“, erklärte Thomas Günther. Der Leipziger ist Sprecher einer Gruppe von Familien, die sich wegen immer wieder neuer Verzögerungen an der Harthweide zusammengeschlossen hat. Allein der Entwurf für den Bebauungsplan musste fünfmal öffentlich ausgelegt werden, was Jahre kostete. „Für unser Haus, das jetzt endlich im Rohbau steht, sind die Bau- und Materialkosten durch die Verzögerungen um über 100.000 Euro gestiegen“, erzählte Günther. „Es sind keine superreichen Familien, die hier bauen wollen. Ihre Kredite laufen. Die Baufirmen sind gebunden. Ein Stopp – selbst wenn er nur ein oder zwei Monate dauert – würde für viele Familien den finanziellen Ruin bringen.“ Hinzu komme, dass viele Bauherrenfamilien schon ihre Kinder in Zwenkau für die Schule oder Kita angemeldet haben – auch Familie Günther ihre beiden Töchter. Uwe Graupner, Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Böhlen, sprach ebenfalls von einer sehr schlechten Nachricht. „Das wird sicher neue Verzögerungen bringen. Wir sehen unsere Investitionen am Zwenkauer See in höchstem Maße gefährdet.“ Vor sechs Wochen begann die Genossenschaft an der Harthweide den Bau von drei Häusern mit 26 Mietwohnungen für Genossenschafter. „Das hat nichts mit Luxus zu tun. Zum größten Teil sind es seniorengerechte Wohnungen, die auch in Zwenkau dringend gebraucht werden“, sagte Graupner. Anwohner wollen Korrekturen erreichen: Vor Gericht gezogen war eine Anwohnerin aus dem Großdeubener Weg, welcher schon bei den Erschließungsarbeiten als Zufahrt diente. „Viele Anwohner wollen nicht, dass hier künftig jeden Tag 500 Autos durchfahren“, sagte ihr Lebensgefährte und Anwalt Falk Illing. In der Klage sei es unter anderem auch um Natur- und Artenschutz, den freien Zugang und die Sicht auf den See, das Gefälle und die Standsicherheit der Böschung gegangen. Es stelle sich auch die Frage, warum die Kommune nicht erst andere, innerstädtische Flächen als Baugebiete nutzbar gemacht habe. Dennoch prophezeite Illing: „Es wird hier nicht morgen einen Baustopp geben.“ Wahrscheinlich seien aber Korrekturen nötig, bevor auf weiteren Parzellen Bagger anrücken können. Selbst wenn das OVG-Urteil rechtskräftig wird, bedeute das nicht automatisch einen Baustopp. Letztlich hänge die Zukunft der Harthweide vor allem von der Urteilsbegründung und vom anschließenden Vorgehen der Klägerseite ab, über das man sich derzeit selbst noch nicht ganz schlüssig sei. Von Jens Rometsch
Andreas vom Zwenkauer See hat dies geteilt.