Zurück zur Natur: Weiße Elster bei Pegau erhält wieder Flussschleife
Vor knapp hundert Jahren wurde die Weiße Elster bei Pegau begradigt. Heute heißt es zurück zur Natur, eine alte Flussschleife soll wieder eingebunden werden. Lesen Sie hier, was hinter dem Vorhaben steckt.
„Kein Fluss fließt normalerweise schnurgerade“, sagt Sven Dulleck. Der 44-jährige Bauingenieur von der Landestalsperrenverwaltung steht an der Elster südlich von Pegau und schaut auf das Gewässer. Wie eine ziemlich gerade Straße strebt es durch die Aue, mit nur wenigen Büschen und Bäumen am Ufer. Dann dreht sich Dulleck um und zeigt auf eine mehrere hundert Meter lange Flussschleife, die einst zur Weißen Elster gehörte und an der noch heute Weiden, Eschen, Erlen und Eichen wachsen. „Diesen Altarm wollen wir jetzt wieder einbinden“, sagt er. Malerische Steilufer einst an Weißer Elster: Vor knapp hundert Jahren machten die Menschen hier genau das Gegenteil. Damals schlängelte sich die Elster in ausladenden Bögen durch die Landschaft, gesäumt von knorrigen Waldstücken und herrlichen Margeritenwiesen. Der Fluss hatte sich tief in sein Bett gegraben und schuf häufig neue malerische Steilufer. Anfang des 20. Jahrhunderts war es damit vorbei. Die Begradigung bezeichneten Experten damals als kulturelle Großtat. Man wollte den Fluss bändigen und regelmäßige Überschwemmungen eindämmen, hieß es. Ab 1927 wurden die große Elstertrebnitzer Schleife und die Kehren im Pegauer Alberthain abgetrennt – mit Schaufeln in schwerer Handarbeit. Ab 1935 übernahm der im Nazideutschland geschaffene Reichsarbeitsdienst die Elsterregulierung. Junge Männer zwischen 18 und 24 schufteten ein halbes Jahr auf der Wasserbaustelle, bevor sie zum Wehrdienst eingezogen wurden. Die Elster verkürzte sich in dieser Region von 5,9 auf 4,3 Kilometer. Doch entgegen den Erwartungen blieben die Hochwasser nicht aus. Weil das Wasser sich nicht mehr durch Schleifen winden musste, floss es nun viel schneller als zuvor durch das begradigte Bett und richtete immer wieder beträchtliche Schäden an. Bis heute sucht sich der Fluss bei erhöhten Wasserständen bei Pegau regelmäßig seinen Platz in der weiten Aue. Ziel ist „guter ökologischer Zustand“: Südlich von Leipzig verschwand die ursprüngliche Weißen Elster samt der dazugehörigen Auenlandschaft in den 1970er Jahren nahezu komplett. Die Verlegung erfolgte, um Platz für den Braunkohle-Tagebau zu schaffen. Das Flussbett zwischen Zwenkau und Hartmannsdorf wurde sogar asphaltiert. Zurück zur Natur ist das Ziel der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Dabei geht es unter anderem darum, den ursprünglichen Zustand von Flüssen soweit wie möglich wiederherzustellen. Naturschützer sehen in der Weißen Elster „eines der am stärksten belasteten Fließgewässer in Mitteldeutschland“. Ihrer Meinung nach sei man „weit entfernt“ vom verbindlichen Ziel dieser Richtlinie, bis spätestens 2027 einen „guten ökologischen Zustand“ zu erreichen. Baustart eventuell Ende 2023: Solch ein guter Zustand soll zumindest durch das Pegauer Projekt befördert werden. Sven Dulleck vom Röthaer Betriebsteil der Landestalsperrenverwaltung ist Projektleiter für die Anbindung des Elster-Altarms. Er erarbeitete eine Machbarkeitsstudie und entwarf den Bau von Ein- und Auslauf, um die Schleife wieder mit dem Fluss zu verbinden. Es seien bislang notwendige kleine Grundstücke von mehreren Eigentümern angekauft worden. Beschäftigte der Bornaer Flussmeisterei holten jede Menge Müll und Unrat aus dem Altarm. Wenn das Genehmigungsverfahren schnell geht, rechnet Dulleck mit dem Baustart Ende 2023. Da bislang keine endgültigen Kosten feststehen würden, wolle er sich dazu noch nicht äußern. Finanziert wird das Vorhaben vom Freistaat. Renaturierung ist „hochwasserneutral“: Der Projektleiter betont, dass die Anwohner keine Sorgen wegen Veränderungen bei möglichem Hochwasser haben sollten. Die Renaturierung sei „hochwasserneutral“, es werde keine Verschlechterungen geben. Neben den Vorteilen von Flussbegradigungen – zum Beispiel für die Schifffahrt – werden heute immer wieder die Nachteile von schnurgeraden Strömen betont. Dadurch werde das natürliche Ökosystem zerstört. Durch die hohe Fließgeschwindigkeit erhöht sich die Erosion des Flussgrundes und des Ufers. Folge: Es können sich weniger Pflanzen ansiedeln, viele Tier- und Pflanzenarten verschwinden komplett. Das lässt meist die Wasserqualität sinken, deren Stabilität wiederum andere Arten zum Überleben benötigen. Zusätzlich sind Bepflanzungen am Fluss geplant. „Die Uferbeschattung ist wichtig, hier haben wir Defizite bei der Elster“, sagt der Bornaer Flussmeister Remo Fahr. Mehr Schatten kühlt das Wasser ab. Das sei wesentlich für Fische und andere Lebewesen und würde außerdem die Ausbreitung von Algen eindämmen. All diese Maßnahmen hätten ein Ziel: „Wir wollen die Natur zurückholen.“ Das aktuelle Projekt sei ein „kleiner Schritt“, weitere könnten folgen. Lesen Sie dazu auch: Vision fürs Elsterbecken: Entsteht hier Leipzigs neuer Fluss-Park? Kur für den Altenbacher Saubach Der 46-jährige Flussmeister kann vor Ort zeigen, wie die Natur sich zum Teil selbst hilft. Ein Stück entfernt von der geplanten Einbindung des Altarms hat das Gewässer sein künstliches Bett verändert. „Vor elf Jahren ist das Ufer hier weggebrochen“, berichtet Fahr. Nun spült das Wasser diese Stelle aus, es entstanden ein kleines Steilufer sowie eine Kiesbank mit Bewuchs mitten im Fluss, Weiden treiben von selbst aus. Wenn der Mensch hier nichts tut, würde vielleicht irgendwann wieder eine große Flussschleife ausgespült werden. Von Claudia Carell
„Kein Fluss fließt normalerweise schnurgerade“, sagt Sven Dulleck. Der 44-jährige Bauingenieur von der Landestalsperrenverwaltung steht an der Elster südlich von Pegau und schaut auf das Gewässer. Wie eine ziemlich gerade Straße strebt es durch die Aue, mit nur wenigen Büschen und Bäumen am Ufer. Dann dreht sich Dulleck um und zeigt auf eine mehrere hundert Meter lange Flussschleife, die einst zur Weißen Elster gehörte und an der noch heute Weiden, Eschen, Erlen und Eichen wachsen. „Diesen Altarm wollen wir jetzt wieder einbinden“, sagt er. Malerische Steilufer einst an Weißer Elster: Vor knapp hundert Jahren machten die Menschen hier genau das Gegenteil. Damals schlängelte sich die Elster in ausladenden Bögen durch die Landschaft, gesäumt von knorrigen Waldstücken und herrlichen Margeritenwiesen. Der Fluss hatte sich tief in sein Bett gegraben und schuf häufig neue malerische Steilufer. Anfang des 20. Jahrhunderts war es damit vorbei. Die Begradigung bezeichneten Experten damals als kulturelle Großtat. Man wollte den Fluss bändigen und regelmäßige Überschwemmungen eindämmen, hieß es. Ab 1927 wurden die große Elstertrebnitzer Schleife und die Kehren im Pegauer Alberthain abgetrennt – mit Schaufeln in schwerer Handarbeit. Ab 1935 übernahm der im Nazideutschland geschaffene Reichsarbeitsdienst die Elsterregulierung. Junge Männer zwischen 18 und 24 schufteten ein halbes Jahr auf der Wasserbaustelle, bevor sie zum Wehrdienst eingezogen wurden. Die Elster verkürzte sich in dieser Region von 5,9 auf 4,3 Kilometer. Doch entgegen den Erwartungen blieben die Hochwasser nicht aus. Weil das Wasser sich nicht mehr durch Schleifen winden musste, floss es nun viel schneller als zuvor durch das begradigte Bett und richtete immer wieder beträchtliche Schäden an. Bis heute sucht sich der Fluss bei erhöhten Wasserständen bei Pegau regelmäßig seinen Platz in der weiten Aue. Ziel ist „guter ökologischer Zustand“: Südlich von Leipzig verschwand die ursprüngliche Weißen Elster samt der dazugehörigen Auenlandschaft in den 1970er Jahren nahezu komplett. Die Verlegung erfolgte, um Platz für den Braunkohle-Tagebau zu schaffen. Das Flussbett zwischen Zwenkau und Hartmannsdorf wurde sogar asphaltiert. Zurück zur Natur ist das Ziel der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Dabei geht es unter anderem darum, den ursprünglichen Zustand von Flüssen soweit wie möglich wiederherzustellen. Naturschützer sehen in der Weißen Elster „eines der am stärksten belasteten Fließgewässer in Mitteldeutschland“. Ihrer Meinung nach sei man „weit entfernt“ vom verbindlichen Ziel dieser Richtlinie, bis spätestens 2027 einen „guten ökologischen Zustand“ zu erreichen. Baustart eventuell Ende 2023: Solch ein guter Zustand soll zumindest durch das Pegauer Projekt befördert werden. Sven Dulleck vom Röthaer Betriebsteil der Landestalsperrenverwaltung ist Projektleiter für die Anbindung des Elster-Altarms. Er erarbeitete eine Machbarkeitsstudie und entwarf den Bau von Ein- und Auslauf, um die Schleife wieder mit dem Fluss zu verbinden. Es seien bislang notwendige kleine Grundstücke von mehreren Eigentümern angekauft worden. Beschäftigte der Bornaer Flussmeisterei holten jede Menge Müll und Unrat aus dem Altarm. Wenn das Genehmigungsverfahren schnell geht, rechnet Dulleck mit dem Baustart Ende 2023. Da bislang keine endgültigen Kosten feststehen würden, wolle er sich dazu noch nicht äußern. Finanziert wird das Vorhaben vom Freistaat. Renaturierung ist „hochwasserneutral“: Der Projektleiter betont, dass die Anwohner keine Sorgen wegen Veränderungen bei möglichem Hochwasser haben sollten. Die Renaturierung sei „hochwasserneutral“, es werde keine Verschlechterungen geben. Neben den Vorteilen von Flussbegradigungen – zum Beispiel für die Schifffahrt – werden heute immer wieder die Nachteile von schnurgeraden Strömen betont. Dadurch werde das natürliche Ökosystem zerstört. Durch die hohe Fließgeschwindigkeit erhöht sich die Erosion des Flussgrundes und des Ufers. Folge: Es können sich weniger Pflanzen ansiedeln, viele Tier- und Pflanzenarten verschwinden komplett. Das lässt meist die Wasserqualität sinken, deren Stabilität wiederum andere Arten zum Überleben benötigen. Zusätzlich sind Bepflanzungen am Fluss geplant. „Die Uferbeschattung ist wichtig, hier haben wir Defizite bei der Elster“, sagt der Bornaer Flussmeister Remo Fahr. Mehr Schatten kühlt das Wasser ab. Das sei wesentlich für Fische und andere Lebewesen und würde außerdem die Ausbreitung von Algen eindämmen. All diese Maßnahmen hätten ein Ziel: „Wir wollen die Natur zurückholen.“ Das aktuelle Projekt sei ein „kleiner Schritt“, weitere könnten folgen. Lesen Sie dazu auch: Vision fürs Elsterbecken: Entsteht hier Leipzigs neuer Fluss-Park? Kur für den Altenbacher Saubach Der 46-jährige Flussmeister kann vor Ort zeigen, wie die Natur sich zum Teil selbst hilft. Ein Stück entfernt von der geplanten Einbindung des Altarms hat das Gewässer sein künstliches Bett verändert. „Vor elf Jahren ist das Ufer hier weggebrochen“, berichtet Fahr. Nun spült das Wasser diese Stelle aus, es entstanden ein kleines Steilufer sowie eine Kiesbank mit Bewuchs mitten im Fluss, Weiden treiben von selbst aus. Wenn der Mensch hier nichts tut, würde vielleicht irgendwann wieder eine große Flussschleife ausgespült werden. Von Claudia Carell
Andreas vom Zwenkauer See hat dies geteilt.