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Blockiert der Bergbausanierer den Harthkanal zwischen Zwenkauer und Cospudener See?


Nichts rührt sich auf der Baustelle für den Harthkanal zwischen Cospudener und Zwenkauer See. Landrat Henry Graichen fürchtet einen „verstümmelten Gewässerverbund“ – falls sich daran nicht bald etwas ändert.

Seit Monaten geht nichts mehr voran an der geplanten Verbindung zwischen Cospudener und Zwenkauer See. Bürgermeister der Region und Landrat Henry Graichen werden ungeduldig, doch die LMBV treibt nicht mal die Planungen weiter. Was ist da los?

Leipzig. Der Harthkanal gilt als zentraler Baustein des Neuseenlandes im Leipziger Südraum. Und eigentlich sollte die Gewässerverbindung zwischen Cospudener und Zwenkauer See längst fertig sein, sollten schon Boote unter der A 38 hindurch fahren. Doch immer wieder gab es Verzögerungen, die Planungs- und Baukosten sind in die Höhe geschossen. Das sorgt nun für Probleme, und mancher fürchtet schon, dass die Entwicklung der Wasserregion an einer entscheidenden Stelle stehen bleibt. Die Bürgermeister der Anliegerkommunen sind angefressen, Landrat Henry Graichen (CDU) ebenfalls. Die Vize-Präsidentin der Landesdirektion hält sich mit öffentlicher Kritik zurück, doch auch Andrea Staude soll ziemlich verärgert sein. Der Unmut in der Region richtet sich vor allem gegen den Bergbausanierer – die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauverwaltungsgesellschaft mbH (LMBV). Das Unternehmen des Bundes ist zuständig für den Umbau der Bergbaufolgelandschaften in der Lausitz und in Mitteldeutschland.

Irgendeine Verbindung muss her

Die LMBV ist zwar verpflichtet, eine Verbindung zwischen den beiden Gewässern herzustellen – allerdings nicht zwingend eine schiffbare, die touristisch genutzt werden kann. Unbedingt nötig ist nur ein Zulauf in den Cospudener See. Denn der Zwenkauer See hat in nassen Jahren einen hohen Grundwasserüberschuss, der Richtung Cossi abgeleitet werden muss. In trockenen Jahren braucht der Zwenkauer See zusätzliches Frischwasser aus der Weißen Elster zur Durchmischung – für einen halbwegs neutralen PH-Wert und eine Senkung des relativ hohen Sulfatwertes. Dafür muss aber dann auch wieder Wasser abgeleitet werden – ebenfalls über den Cospudener See.
Herausfordernde Aufgaben

Die Umgestaltung alter Tagebauflächen ist herausfordernd. Denn gebaut wird auf Kippengelände. Es gibt also keinen gewachsenen Boden. Was das bedeutet, wird immer mal wieder deutlich, wenn es Rutschungen gibt – wie in Nachterstedt, wo 2009 ein 350 Meter breiter Landstreifen im Concordiasee versank, mitsamt Häusern und einem Straßenstück. Drei Menschen starben. Der Störmthaler Kanal zwischen Störmthaler und Markkleeberger See ist wegen Böschungsschäden und Rissen seit März vergangenen Jahres gesperrt – die Kanuparkschleuse liegt brach. Es habe "augenscheinlich Baumängel gegeben, die Basis sind für das, was dort passiert ist", sagt Professor Andreas Berkner vom Regionalen Planungsverband Westsachsen. Wie es weitergeht, ist unklar. Inzwischen gilt es nicht als absolut ausgeschlossen, dass der Kanal dauerhaft geschlossen bleibt.
Fiasko wie am Störmthaler Kanal muss verhindert werden

Ein ähnliches Fiasko müsse am acht Kilometer entfernten Harthkanal unter allen Umständen vermieden werden, erklärt Berkner. Dessen Bau ist anspruchsvoll, er sei aber machbar, sagen Experten. Denn die geotechnischen Erfahrungen mit altem Bergbaugelände sind gewachsen. Da, wo der Harthkanal entstehen soll, wurde der Boden zum Beispiel mit so genannten Rüttelstopfverdichtungen zusammengepresst.

Es braucht einen Flutschutz für Leipzig

Neben den Vorgängen am Störmthaler Kanal hat ein anderes Ereignis die Planungen und den Bau ins Stocken gebracht: das Hochwasser 2013. Damals rettete der Zwenkauer See die Stadt Leipzig vor einer Katastrophe. Daraufhin definierte die Landesdirektion das Gewässer als Rückhaltebecken. Das ist durchaus sinnvoll, sagen Experten. Denn bis in die 70er-Jahre gab es da, wo heute der See ist, eine intakte Auen- und Waldlandschaft mit einem Rückhaltevolumen von 15 bis 20 Millionen Kubikmetern, das mit dem Tagebau verloren ging. Zu DDR-Zeiten hatte man zwar toleriert, dass die Messestadt während der Auskohlung nur bedingt geschützt war. Dennoch war festgeschrieben worden, dass mit Ende des Tagebaubetriebes wieder ein Hochwasserschutz für Leipzig geschaffen werden muss. Der ist nun da, aber wo Flutschutz gilt, werden Bauarbeiten kompliziert. Wenn ein Rückhaltebecken bricht, drohen schlimmste Verwüstungen. Absperrbauwerke müssen einem Hochwasser standhalten, das statistisch alle 10 000 Jahre einmal vorkommt – und werden entsprechend teuer.

Will LMBV das Projekt beenden?

Das gilt auch für das Hochwassertor an der Tagebaukante des Zwenkauer Sees, das am künftigen Harthkanal entstehen müsste. 55 Millionen Euro soll allein dieses Tor kosten – eine enorme Summe. Zum Vergleich: Der neue Hochwasserschutz für Grimma wurde auf 2,5 Kilometern für 57 Millionen Euro errichtet. Wird also alles tatsächlich so viel teurer, dass es am Ende gar nicht mehr bezahlbar ist? Oder rechnet die LMBV den Preis mit Hilfe des Flutschutzes künstlich hoch, um den Kanal wegen der vielen Unwägbarkeiten und mangels Erfahrungen mit Wasserbau-Projekten still und leise zu beerdigen? Manche befürchten das. "Die LMBV versucht mit erheblichem Druck das Projekt Harthkanal zu beenden", sagt ein Insider. "Das kann man unterstellen, wenn man sieht, wie wenig Engagement aktuell dahinter steckt", kommentiert sogar Henry Graichen (CDU) diesen Vorwurf. "Der Kanal hat höchste Priorität im Gewässerverbund, aber bei der LMBV nehme ich diesen Stellenwert nicht wahr", kritisiert der Landrat im Kreis Leipzig.

Autobahnbrücke ist kein Hindernis

„Man muss nicht mit Gürtel und Hosenträger und 200 Prozent Sicherheitszuschlag arbeiten“, erklärt ein kommunaler Akteur. Der zusätzliche Hochwasserschutz sei absolut nötig, aber bei weitem nicht so teuer. Der Grund für die hohen Kosten liege von Beginn an hauptsächlich in der Geländebeschaffenheit. Auch die Autobahnbrücke ist nicht das Problem – diese Mutmaßung machte zwischenzeitig ebenfalls die Runde. Für den Bau der A 38 seien umfangreiche Bodenstabilisierungsmaßnahmen durchgeführt worden, um Strecke und Bauwerke standsicher über das Bergbaugelände zu führen, teilt die Autobahn GmbH des Bundes mit. Es sei „maximale Baufreiheit“ für eine Gewässerverbindung unterhalb der Brücke gegeben. Bei entsprechenden Arbeiten müsse aber die Lagesicherheit der Fundamente als „Randbedingung“ berücksichtigt werden.

LMBV: Wir sind nur Auftragnehmer

Die LMBV weist die schweren Vorwürfe zurück. Man könne die Kritik eines mangelnden Engagements nicht nachvollziehen. Was das Unternehmen sonst mitteilt, klingt allerdings auch nicht richtig euphorisch, eher nüchtern distanziert: „Das Interesse an einer regionalen Schiffbarmachung ist bekannt“, heißt es in einer Antwort, „jedoch ist dafür eine entsprechende Durchfinanzierung nötig.“ Das Unternehmen handele nur im Auftrag von Bund und Land. Vor diesem Auftrag und bevor klar ist, woher das Geld kommt, „werden keine weiteren Bauarbeiten beauftragt bzw. sichtbar werden“.

Gesamtkosten von mehr als 150 Millionen Euro

Kritik wird auch laut, weil alles teurer wird, je länger Planung und Bau dauern. In Personal-, Planungs- und Gutachterkosten dürften schon jetzt locker mittlere zweistellige Millionenbeträge geflossen sein. Es verdienen also Leute daran, dass sich die Sache hinzieht. „Wenn man Dinge, die man in einem Jahr machen kann, auf fünf Jahre verteilt, ist das für manche eine schöne Sache“, unkt ein Beteiligter. Insgesamt über 150 Millionen Euro kostet der Harthkanal nach Angaben des Bergbausanierers. In dieser Summe sind jene 50 Millionen Euro für die schiffbare und damit die touristische Variante enthalten. Und genau an diesen 50 Millionen hängt es; sie sind noch nicht finanziert. Der Harthkanal sei „ein bedeutendes Sanierungsvorhaben im Rahmen der Braunkohlesanierung“, teilt das Wirtschaftsministerium mit. Welcher Anteil der Summe aus dem neuen sächsischen Doppelhaushalt kommen könnte, steht aber noch nicht fest. Zwar hat das Kabinett den Regierungsentwurf für den Doppelhaushalt der Jahre 2023/2024 inzwischen beschlossen. Verlässliche Aussagen zum Kanal könnten aber erst nach Beschluss des Doppelhaushaltes durch den Landtag getroffen werden. „Unabhängig davon werden in Abstimmung mit der Region auch alternative Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten für den Harthkanal geprüft“, so die Behörde.

Viele Akteure

LMBV, Kommunen, Landratsamt, Landesdirektion, Wirtschaftsministerium, Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland, Zweckverband Neue Harth, Regionaler Planungsverband, Landestalsperrenverwaltung, Oberbergamt, Autobahn GmbH: Die Zahl der beteiligten Akteure ist enorm – damit gibt es viel abzustimmen. Zugleich könnte man meinen, dass es leichter wird Geld aufzutreiben.
Gefahr von „Inselbetrieben“

Darauf hoffen alle in der Region. "Wenn alle eine Sache wollen, dann kriegt man es auch hin", sagt Andreas Berkner. "Die Region steht ohne Wenn und Aber zum Harthkanal." Der sei essenziell für die wassertouristische Entwicklung. "Zwenkauer und Cospudener See bleiben Inselbetriebe, wenn es uns nicht gelingt, den Gewässerverbund dort herzustellen", konstatiert der Regionalplaner. Es brauche dringend Geld außerhalb der üblichen Braunkohlesanierung, vermutet Zwenkaus Bürgermeister Holger Schulz (CDU). Denn die so genannten Paragraf-4-Mittel würden für die Jahre 2023 bis 2027 kaum ausreichen, so seine Schätzung.

Graichen fürchtet „verstümmelten Gewässerverbund“

Landrat Graichen sieht das genauso: „Im Grunde sind wir im Neuseenland mit dem, was erreicht wurde, zu 80, 85 Prozent durch. Wir sollten den Rest jetzt auch noch schaffen, weil sonst der Wert des Ganzen relativiert wird. Es darf nicht am Ende nur ein verstümmelter Gewässerverbund übrig bleiben.“

Andreas vom Zwenkauer See hat dies geteilt.