Zwenkauer Familie reist auf zehn Quadratmetern um die Welt
Haus verkauft, Jobs gekündigt, und Ade Deutschland: Familie Wotruba aus Zwenkau hat ihren Alltag gegen eine Weltreise im Camper getauscht. 28 Länder später erzählen sie vom Leben auf Rädern, und warum sie nicht nach Sachsen zurückkehren.
Ein großes Haus mit Garten, ein sicheres Einkommen – was für einige ein Lebensziel ist, haben Isabel und Rico Wotruba bewusst zurückgelassen. Gemeinsam mit ihrer zwölfjährigen Tochter Lucy und Hündin Orly bereisen sie seit 2022 in einem umgebauten Bundeswehr-Lkw die Welt, und haben dafür nicht nur ihr Eigenheim verkauft und ihre Vollzeit-Jobs gekündigt.
„Wir wollten schon immer etwas anderes mit unserem Leben machen“ begründet die gebürtige Zwenkauerin Isabel Wotruba die Entscheidung, ihren Alltag und die Heimat in der sächsischen Kleinstadt hinter sich zu lassen. Frustriert und erschöpft von ihrem „Standard-Leben“ fasste die Familie vor knapp drei Jahren schließlich den spontanen Entschluss, den Wunsch in die Tat umzusetzen. Seitdem haben sie in ihrem Camper „Charly“, benannt nach dem Forscher und Entdecker Charles Darwin, über 51.000 Kilometer durch 28 Länder in Europa und Teilen Asiens zurückgelegt.
Der Weg zum Weltenbummler
Ein einfaches „Wir fahren jetzt mit unserem Auto um die Welt“ war das Vorhaben aber nicht, erzählt Wotruba. Zum Verkauf von Haus und Besitz der Familie kamen neue Reisepässe und ein internationaler Führerschein. Doch besonders beim Versuch, Tochter Lucy von der Schule zu nehmen und den deutschen Wohnsitz abzumelden, stießen die Wotrubas immer wieder auf rechtliche Hürden.
„Die deutschen Behörden sind auf einen solchen Fall nicht vorbereitet“, erinnert sich Wotruba. So las sie sich in ihrer Freizeit durch eine Vielzahl an Gesetzen, um auch die Behörden von der Rechtmäßigkeit ihres Reise-Abenteuers zu überzeugen. Auch unterwegs können fehlende Unterlagen an Ländergrenzen oder politische Situationen immer wieder zum spontanen Umplanen der Reise zwingen. „Das haben wir uns am Anfang einfacher vorgestellt“, gibt Wotruba zu.
Tschüss Zwenkau, hallo Charly
Drastischer können sich die eigenen vier Wände kaum verändern: Von über 600 Quadratmetern Haus und Garten zog die Familie in ein Zimmer auf Rädern. „Auf diesen zehn Quadratmetern haben wir alles zum Leben“, beschreibt Wotruba das Leben im Camper. Küche, Bad, Wohnzimmer und Stauraum hält „Charly“ bereit, sowie getrennte Schlafnischen im Etagenbett-Stil als Rückzugsorte für Eltern und Tochter.
Mit einher ging ein kompletter Wandel im Lebensstil. Wo vorher der Abend vor dem Fernseher verbracht wurde, werden jetzt Gesellschaftsspiele gespielt oder auf Erkundungstour gegangen. Ein fast täglich wechselnder Vorgarten, vom Meer, zu Bergen, zum Wald, lässt Langeweile ausbleiben. „Wir haben wenige konstante Punkte“, sagt Wotruba, „das kann anstrengend sein, aber macht uns auch flexibel.“
Auch normalen Schulunterricht gibt es auf einer Weltreise nicht, stattdessen stemmen Isabel und Rico das Lernen mit Lucy selbst. Sie vertreten die Philosophie, dass Kinder lernen sollten, was sie auch wirklich interessiert. „Sachen, die wir im Alltag nebenbei aufsaugen, bleiben auch hängen“, erzählt Wotruba über Tochter Lucy, die ein Experte in europäischer Geografie geworden ist. Inspiration kommt von Fragen aus dem Reise-Alltag: So führt etwa eine Vulkanbesichtigung in Italien zum Lernthema Plattentektonik.
Alte Heimat und neue Bekannte
„So viel Gastfreundschaft und Lockerheit haben wir in Deutschland nie erfahren“, vergleicht Wotruba den menschlichen Umgang in ihrer alten sächsischen Heimat mit den neuen ausländischen Umfeldern, in denen der deutschen Familie viel Interesse entgegengebracht wird.
Dadurch kommen viele neue Bekanntschaften mit Einheimischen und anderen Auswanderern. Mit den alten Freunden wird über soziale Medien und Videotelefonie Kontakt gehalten: „Eigentlich fehlt uns nichts“, findet Wotruba. Besonders schätzt die Familie die ständig neuen Einflüsse und Denkweisen.
„Unser ganzes Weltbild wurde durch die Reise auf den Kopf gestellt“, erzählt Wotruba, selten seien bereiste Orte wie in den eigenen Vorstellungen. Dass ein kompletter Lebensstil-Wandel an einer Person nicht spurlos vorbeigeht, ist klar: „Wir sind viel aufgeschlossener und haben weniger Angst vor Neuem“, schätzt Wotruba ihre Familie ein. Auch ihr Konsumverhalten wurde deutlich bewusster – gekauft wird meist nur noch, was gebraucht wird und in „Charly“ verstaut werden kann.
Tochter Lucy und Vater Rico machen eine Pause auf einem Stellplatz in Rumänien.
Durch ein Leben auf engstem Raum sah sich die Familie auch gezwungen, Konflikten nicht mehr aus dem Weg zu gehen und mehr auf gegenseitige Bedürfnisse zu achten. „Wir hocken hier fast 24/7 aufeinander, da muss das Zusammenleben funktionieren“, sagt Wotruba.
Ein Ende der Reise ist noch nicht in Sicht: „Wir reisen so lange, wie wir Lust und Laune haben“, sagt Wotruba. Eines Tages wieder sesshaft zu werden, schließt sie dabei nicht aus – dann aber eher an einem ihrer Lieblingsreise-Ziele, darunter „Herzensland“ Rumänien und das südliche Italien. Zurück nach Deutschland zu ziehen, kommt jedoch für Wotruba nicht infrage, „aufgrund der Mentalität.“ Jetzt geht es für die Weltenbummler jedoch zunächst erstmals nach Afrika.
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Andreas vom Zwenkauer See
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