Bürgerbefragung angelaufen: Datenerhebung zwischen Auskunftspflicht und Rückspielverbot


Mit der EU-weiten Zensusrunde 2022 beginnt im Januar auch in Deutschland eine neuerliche Volkszählung. Für den westlichen Landkreis Leipzig laufen die Fäden dabei in der „örtlichen Erhebungsstelle Markranstädt“ zusammen. Deren Leiter ist schon seit Oktober auf den Beinen, um einen reibungslosen Start zu organisieren.
Auf die Postboten kommen im neuen Jahr allerhand Extra-Meter zu. Allein in Markranstädt und seinen Ortschaften müssen sie rund 1 800 Briefe zusätzlich austragen. Spätestens beim Blick auf den Absender wird dann auch den Empfängern aufgehen, was das Jahr geschlagen hat: Eine neue Zensus-Runde hat begonnen. Weil viele Entscheidungen in Bund, Ländern und Gemeinden auf Bevölkerungs- und Wohnungszahlen beruhen, soll mit dieser statistischen Erhebung unter anderem ermittelt werden, wie viele Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten. Eine der 48 Erhebungsstellen, die dafür im Freistaat Sachsen eingerichtet wurden, befindet sich in Markranstädt. „Hier laufen die Fäden des Zensus für die Einzugsgebiete Markranstädt, Böhlen, Groitzsch, Neukieritzsch, Pegau, Regis-Breitingen und Zwenkau zusammen“, informiert Michael Jüttner, Leiter des Markranstädter Zensus-Büros. Offiziell wird die Erhebungsstelle in den Marktarkaden der Stadt zwar erst zum 1. Januar eröffnet, aber hinter den Kulissen hat die in der gesamten Europäischen Union angesetzte Zensus-Runde längst begonnen, weiß der gelernte Personalfachkaufmann. „Seit Oktober findet durch das Statistische Landesamt des Freistaates bereits die Vorabfrage zur Gebäude- und Wohnungszählung statt.“ Damit nicht alle Einwohner direkt befragt werden müssen, greifen die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder beim Zensus unter anderem auf Daten aus den amtlichen Melderegistern zurück. Rund 10 000 Befragte zwischen Markranstädt und Pegau: Im Gegensatz zum fortlaufenden Mikrozensus, in dessen Rahmen die Daten von lediglich einem Prozent der Bevölkerung zur Erhebung vorgesehen sind, werden beim anstehenden „Großen Zensus“ etwa zehn Prozent der Bürgerinnen und Bürger befragt, teilt Jüttner mit. „Das ist eine gewaltige Aufgabe“, schätzt er ein und verweist auf die rund 10 000 Einwohner im Einzugsgebiet, die demnächst von speziell geschulten, ehrenamtlichen Helfern befragt werden müssen. Allein die dafür erforderlichen 100 bis 120 Interviewer zu gewinnen, sei ein Kraftakt. Zwar sei für sie eine Aufwandsentschädigung in Aussicht gestellt worden, doch auf die Frage nach der Höhe dieses Anreizes kann Jüttner momentan auch nur mit den Schultern zucken. „Aber die Zeit drückt, denn diese Mitarbeiter müssen vor ihrem Einsatz auch noch entsprechend geschult werden“, betont er. Im Mittelpunkt dieser Schulungen stehe unter anderem der Datenschutz. „Neben Alter, Geschlecht und Staatsbürgerschaft werden beim Zensus auch Dinge wie soziodemografische Merkmale oder Angaben zur Wohnsituation abgefragt“, sagt Jüttner. Er sieht in der Skepsis der Befragten über den Umgang mit ihren Daten das größte Problem. „Diese Bedenken sind allerdings völlig unbegründet“, klärt er auf. „Die erhobenen Daten werden strikt geheim gehalten und es ist sichergestellt, dass sie nicht einmal für andere statistische Zwecke verwendet werden.“ Es gelte beim Zensus sogar ein sogenanntes ‚Rückspielverbot‘, das Jüttner so erklärt: „Wenn sich beispielsweise aus der Befragung ergibt, dass ein Bürger in einem Ort wohnt, in dem er gar nicht gemeldet ist, darf dessen Name nicht an die Gemeinde weitergegeben werden. Die Angaben fließen also immer nur in eine Richtung – hin zur amtlichen Statistik.“ Von dort dürfen Einzeldaten weder an die Polizei noch an das Finanzamt oder eine sonstige Behörde übermittelt werden. Neue Zählung – alte Probleme: Theoretisch könnten sich Michael Jüttner und seine Kollegen von der örtlichen Erhebungsstelle Markranstädt beim Vollzug ihrer Aufgaben auf entsprechende Gesetze stützen. Ähnlich wie bei Wahlen, für deren Absicherung man Bürgerinnen und Bürger für die Tätigkeit als Wahlhelfer verpflichten kann, sei das auch bei Interviewern möglich. „Ich glaube aber nicht, dass es so weit kommt“, ist der ehemalige Personalchef des Markranstädter Rathauses überzeugt. „Ähnliche Probleme gab es auch vor der letzten großen Zählung im Jahr 2011 und die wurden letztendlich auch gemeistert.“ Gesetzliche Pflichten haben allerdings auch die zur Befragung ausgewählten Personen zu erfüllen. Im Einzugsbereich der Markranstädter Erhebungsstelle seien das rund 10 000 Bürgerinnen und Bürger, davon rund 1 800 allein in der Stadt am See und ihren Ortschaften. „Nach Paragraf 23 des Bundesstatistikgesetzes sind sie zur Auskunft verpflichtet“, weiß Jüttner, der davon überzeugt ist, dass es nicht zur Anwendung rechtlicher Konsequenzen kommen muss. „Wenn jemand nicht oder nur unzureichend antwortet, führt das Statistische Landesamt des Freistaates Sachsen zunächst eine sogenannte Nachbefragung durch“, erläutert er. Aber zu weit nach vorn blicken will er noch nicht. Jetzt gelte es erst einmal, sich mit der Arbeitsroutine vertraut zu machen. Sichere Datenleitungen liegen schon an, spezielle Hard- und Software wurde ebenfalls bereits geliefert und neben den vier Arbeitsplätzen für das Zensus-Team sind auch separate Besprechungsbereiche für den Fall, dass Befragte ins Büro kommen, eingerichtet worden. Der Zensus 2022 ist angelaufen. Von Rainer Küster